Entwicklungsgeschichtlich stellt der Neokortex den jüngsten Teil des Gehirns. Er lässt sich in vier Hirnlappen gliedern.
Neocortex, Isocortex
Der Neokortex stellt entwicklungsgeschichtlich den jüngsten Teil des Gehirns da. Er lässt sich in vier Hirnlappen unterteilen, die unterschiedliche Hirnfunktionen übernehmen.
Anatomie & Funktion:
Der Frontallappen spielt die zentrale Rolle bei der Initiation von Motorik.
Im Motocortex (Gyrus precentralis) werden die Bewegungen „entworfen“. Er ist somatotopisch gegliedert. Das heißt, dass jedem Bereich des Motocortex eine bestimmte Körperstelle zugeordnet ist. Dabei werden Hand, Gesicht und Zunge deutlich überproportional repräsentiert.
Seine Informationen leitet der Motocortex über die Pyramidenbahn nach peripher. Vorher gelangen die Informationen jedoch zur Feinabstimmung und Koordination noch in Kleinhirn und Basalganglien.
Auch das motorische Sprachzentrum (Broca-Areal) liegt im Frontallappen. Allerdings nur in der dominanten, meist der linken, Hirnhälfte.
Es ist unabdingbar für Sprachproduktion und auch –verständnis und ist eng mit dem Wernicke-Areal (s.u.) im Temporallappen verknüpft.
klinische Bewandnis:
Eine Läsion im Bereich des Motocortex bedingt eine Lähmung (Parese) auf der gegenseitigen Körperhälfte, da ein Großteil der Pyramidenbahn auf ihrem Weg von zentral nach peripher auf die Gegenseite kreuzt.
Eine Läsion im Bereich des Broca-Areals führt zur Broca-Aphasie. Die Betroffenen können Gesagtes und Geschriebenes zwar verstehen, das eigenen Sprechen und Schreiben ist aber deutlich erschwert.
Oftmals können nur noch einzelne abgehackte Worte formuliert werden.
Frontallappen = rot (Lobus frontalis, Stirnlappen)
Parietallappen = blau (Lobus parietalis, Scheitellappen)
Okzipitallappen = grün (Lobus occiptitalis, Hinterhauptslappen)
Temporallappen = gelb (Lobus temporalis, Schläfenlappen).
Anatomie & Funktion:
Im parietalen Lappen werden vor allem sensible Reize integriert und verarbeitet.
So gelangen die Informationen über Protopathie (Schmerz, Temperatur, grobes Tastempfinden) und Epikritik (feines Berührungsempfinden und Propriozeption) nach Durchlaufen des Thalamus in den Gyrus postcentralis, wo der primäre somatosensible Cortex liegt.
Dieser liegt dem Gyrus precentrealis des Frontallappens an, in dem die Motorik generiert wird.
Informationen über Berührungen oder andere sensible Reize, die im primären somatosensiblen Cortex angekommen sind, werden zwar als solche wahrgenommen, jedoch noch nicht interpretiert.
Dies geschieht erst im sekundären somatosensiblen Cortex.
Der Parietallappen beinhaltet – neben anderen Regionen – außerdem auch den Gyrus angularis. Er ist die Schaltstelle zwischen sekundärer Sehrinde und sensorischem Sprachzentrum, also dem Wernicke-Areal. Er ist essentiell für Lesen und Schreiben.
klinische Bewandnis:
Auch die sensiblen Bahnen kreuzen – wie die motorischen – auf ihrem Weg von peripher nach zentral irgendwann auf die Gegenseite.
Dementsprechend führt eine Läsion im Bereich des primären somatosensiblen Cortex zu einem Ausfall der Funktion in der gegensätzlichen (kontralateralen) Körperhälfte.
Der Betroffenen empfindet im entsprechenden Körperteil also nichts mehr.
Bei einer Läsion im sekundären somatosensiblen Cortex hingegen kommt es zur taktilen Agnosie. Getastete Gegenstände werden nicht mehr erkannt.
Dies liegt daran, dass der sekundäre sensible Cortex nicht für die Wahrnehmung des Gefühlten an sich sondern für dessen Interpretation verantwortlich zeichnet.
Eine Läsion des Gyrus cinguli führt zu Störungen des Lesens (Alexie) und / oder Schreibens (Agraphie).
Anatomie & Funktion:
Im Okzipitallappen, der in der hinteren Schädelgrube überhalb des Kleinhirns gelegen ist, liegt das Sehzentrum, also ein Teil des visuellen Systems.
Die Informationen kommen von der Netzhaut (Retina) über den Sehnerv (Nervus opticus, 2. Hirnnerv) in das Chiasma opticum (Sehnervenkreuzung), wo die Informationen des äußeren (lateralen) Gesichtsfeldes jeweils auf die Gegenseite kreuzen.
Die Fasern verlaufen weiter im Tractus opticus wobei durch die Kreuzung im Chiasma der rechte Tractus opticus Informationen über das innere (mediale) Gesichtsfeld des rechten und das laterale Gesichtsfeld des linken Auges enthält.
Die Fasern ziehen durch das Corpus geniculatum mediale im Thalamus und als Sehstrahlung bis zur primären Sehrinde im Okzipitallappen. Sie liegt im Bereich des Sulcus calcarinus.
Kommen die Informationen aus dem Auge in der primären Sehrinde an, so wird dem Menschen bewusst, dass er etwas sieht, der Seheindruck wird jedoch noch nicht interpretiert. Dies geschieht erst in der sekundären Sehrinde, die der primären anliegt.
klinische Bewandnis:
Läsionen im Bereich des visuellen Systems können durch verschiedenste Ursachen, beispielsweise Entzündungen, Traumata oder Tumoren, verursacht werden.
Auch die Symptome einer solchen Läsion können, je nach Lokalisation, sehr unterschiedlich sein. So führt eine Läsion des primären visuellen Cortex auf nur einer Seite zu einem Ausfall des Sehens auf der medialen Seite des einen Auges und der lateralen Seite des anderen Auges (homonyme Hemianopsie).
Auch Läsionen im peripheren Bereich der Sehbahn führen zu, meist relativ charakteristischen, Gesichtsfeldausfällen.
Ist hingegen die sekundäre Sehrinde betroffen, so führt dies nicht zu Gesichtsfeldausfällen oder Erblindung.
Die Patienten können noch immer sehen, sie können das Gesehen jedoch nicht mehr interpretieren (visuelle Agnosie).
Ein Beispiel ist das Nicht-Erkennen von Gesichtern bei intaktem Sehvermögen (Prosopagnosie).
Anatomie & Funktion:
Im Temporallappen liegt der zentrale Teil des auditiven Systems, also des Hörens.
Die Informationen werden über die Hörnervenzellen im Innenohr an Nervenzellkerne in der Medulla oblongata (Nuclei cochleares) weitergeleitet.
Hierbei gibt es eine tonotopische Gliederung, das heißt eine Gliederung der Informationen nach Höhe und Frequenz. Diese findet sich auch in der Großhirnrinde wieder.
Der Großteil der Nervenfasern kreuzt nach Passieren der Medulla oblongata auf seinem Weg in die Großhirnrinde auf die Gegenseite, der kleiner Anteil verläuft auf derselben Seite weiter.
Der Weg verläuft weiter zu den oberen Olivenkernen und dann als Lemniscus lateralis weiter zu den Colliculi inferiores der Vierhügelplatte des Mittelhirns.
Von hier aus verlaufen die Nervenfasern weiter zum Corpus geniculatum mediale des Thalamus und von dort aus als Hörstrahlung zur primären Hörrinde im Bereich der Heschl-Querwindungen des Temporallappens.
Auf diesem Weg kreuzen jeweils wieder kleinere Faserverbände von der einen auf die andere Seite, sodass die primäre Hörrinde einer Seite Informationen zum Gehörten aus den Hörschnecken (Cochlea) beider Seiten erhält, dies ist für das Richtungshören unabdingbar.
Im primären auditorischen Cortex wird dem Hörenden das Gehörte bewusst, allerdings noch ohne dass es interpretiert wird.
Dies geschieht erst in der sekundären Hörrinde. Sind die Informationen hier angelangt und verarbeitet worden, werden die gehörten Laute zum Beispiel als Worte, Melodien oder Geräusche erkannt.
Hierbei ist interessant, dass die sekundäre Hörrinde der dominanten Hemisphäre in der auch das Broca-Sprachzentrum liegt, vor allem für die Verarbeitung und das Erkennen und Verstehen von Sprache verantwortlich ist. Sie wird deshalb auch als sensorisches Sprachzentrum oder Wernicke-Areal bezeichnet.
Die sekundäre Hörrinde der nicht-dominanten Hirnhälfte hingegen verarbeitet eher Dinge wie Melodien. Sie ist also entscheidend für das Verständnis und Wiedererkennen von Musik.
klinische Bewandnis:
Eine Läsion der primären Hörrinde einer Seite führt nicht zur Taubheit sondern zur Herabsetzung des Hörvermögens auf beiden Ohren.
Dies liegt daran, dass die Nervenfasern auf dem Weg vom Innenohr in die Hirnrinde mehrfach auf die Gegenseite kreuzen und eine Hirnhälfte somit Informationen über Gehörtes aus beiden Ohren erhält.
Das bedeutet aber auch, dass bei Störung des primären auditiven Cortex einer Seite das Richtungshören deutlich erschwert ist.
Bei einer Läsion des sekundären auditiven Cortex hängen die Symptome sehr davon ab, ob die dominante oder die nicht-domninante Hirnhälfte betroffen sind.
Bei einer Schädigung des Wernicke-Areals, also der sekundären Hörrinde der dominanten Hemisphäre, ist das Sprachverständnis der Betroffenen ausgeprägt gestört. Sie reden oftmals viel (Logorrhoe) aber ohne Sinn für den Außenstehenden. Hierbei ist ihnen nicht bewusst, dass das von ihnen Gesprochene keinen Sinn ergibt.
Eine Läsion der sekundären Hörrinde in der nicht-domninanten Hemisphäre hingegen hat einen Verlust des Musikverständnisses zur Folge, beeinträchtigt das Sprechen jedoch nicht.
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