Sprachzentrum

Defintion

Das Sprachzentrum im herkömmlichen Sinne ist nicht eines, sondern es handelt sich um zwei Regionen im Bereich der Großhirnrinde, also im zentralen Nervensystem.

Das sogenannte motorische Sprachzentrum, nach seinem Erstbeschreiber auch als Broca-Areal bezeichnet und das sensorische Sprachzentrum, auch Wernicke-Areal genannt.

Heutzutage wird jedoch immer deutlicher, dass nicht nur diese beiden Regionen im Gehirn an der Sprachproduktion und –verarbeitung beteiligt sind, sondern noch zahlreiche andere Bereiche eine wichtige Rolle für die komplexen Prozesse von Sprachverständnis und -produktion spielen.
In diesem Artikel soll jedoch auf die beiden Hauptsprachzentren eingegangen werden.

Anatomie des motorischen Sprachzentrums

Synonym: Broca-Areal

Das motorische Sprachzentrum liegt im Frontallappen (Lobus frontalis) des Gehirns im Bereich des Gyrus frontalis inferior. Es grenzt also nach unten hin an den Temporallappen (Lobus temporalis) an.

Bezogen auf die Brodman-Areale liegt es im Bereich der Areale 44 und 45.

Das Sprachzentrum ist nicht etwa beidseitig vorhanden sondern nur auf einer Hirnhälfte ausgeprägt, nämlich der sogenannten dominanten Hemisphäre.
Bei einem Großteil der Menschen ist dies die linke Hirnhälfte.

Als grobe Regel gilt hier, dass die dominante Hemisphäre bei Rechtshändern in der Regel links liegt, bei Linkshändern kann sie links oder rechts liegen.

Über den Fasciculus arcuatus, einen Strang von Nervenfasern, steht das Broca-Areal mit dem ebenfalls für die Sprache essentiellen Wernicke-Areal in Verbindung.

Aus dem Broca-Areal laufen Nervenfasern in Richtung der motorischen Hirnrinde (Motocortex), die ebenfalls im Frontallappen gelegen ist.
Dies bedingt, dass über weitere Umschaltungen für die Sprache wichtige Muskeln angesteuert werden, insbesondere solche im Bereich von Kehlkopf und Rachen sowie die mimische Muskulatur.

Funktion des motorischen Sprachzentrums

Es wird angenommen, dass das Broca-Areal zuständig ist für die Sprachproduktion.
Insbesondere Satzbau und Grammatik scheinen hier verarbeitet und prozessiert zu werden. Die Sprache wird hier in Wortlaut und Satzbau geformt.

Doch entgegen früherer Annahmen spielt das motorische Sprachzentrum nicht nur eine Rolle bei der Sprachbildung sondern auch beim Sprachverständnis.
Früher wurde angenommen, dass man klar trennen könne zwischen der Sprachproduktion im Broca-Areal und dem Sprachverständnis im Wernicke-Areal. Diese Annahme gilt heute als fraglich.
Vielmehr entsteht Sprache zentral durch Interaktion beider Zentren und weiterer kleinerer Regionen im Gehirn.

klinische Bewandnis des motorischen Sprachzentrums

Läsionen im Bereich des motorischen Sprachzentrums werden als Broca-Aphasie bezeichnet. Aphasie bedeutet soviel wie Sprachlosigkeit.

Die Broca-Aphasie hat charakteristische Symptome zur Folge, die eine Unterscheidung zur Wernicke-Aphasie (siehe unten) möglich machen.

So können die Betroffenen Gesprochenes und Gelesenes zwar sehr wohl noch verstehen, sie können aber nur noch deutlich erschwert sprechen.
Je nach Ausmaß der Schädigung kann der Patient nur einzelne Worte nicht mehr bilden oder die Sprachproduktion bleibt völlig aus.

Typische Symptome bei der Broca-Aphasie sind unter anderem:

  • das Bilden von neuen, nicht sinnbehafteten Worten (Neologismen)
  • das Sprechen kurzer, abgehackter Sätze (Telegrammstil)
  • das beinahe vollständige Fehlen von grammatischem Satzbau (Agrammatismus).

Die Sprachproduktion ist deutlich verlangsamt, angestrengt und die Artikulation häufig undeutlich.

Es ist zu beachten, dass die Broca-Aphasie nicht durch die Lähmung von Muskeln, die für die Sprachproduktion essentiell sind, zustande kommt. Die Störungen die die Betroffenen beim Sprechen zeigen, sind in ähnlicher Ausprägung beim Schreiben vorhanden.

Anatomie des sensorischen Sprachzenrum

Synonym: Wernicke-Areal

Das Wernicke-Sprachzentrum liegt im oberen Teil des Temporallappens.

Es wird als sekundäre Hörrinde bezeichnet und liegt in den Brodman-Arealen 22 und 42.

Es grenzt direkt an die primäre Hörrinde an, die im Bereich der Heschl-Querwindungen zu finden ist.

Wie auch das Broca-Areal, existiert das Wernicke-Zentrum nur in der dominanten Hemisphäre, zumeist also der linken.
In der nicht-dominanten Hirnhälfte übernimmt die sekundäre Hörrinde andere Aufgaben.

Die sekundäre Hörrinde ist über Nervenfasern eng vernetzt mit der primären Hörrinde, aus der die Informationen über Gehörtes aus der Peripherie (also dem Hörorgan, der Cochlea) angelangen.

Weiterhin ist die sekundäre Hörrinde mit dem Gyrus angularis verbunden. Dieser hat eine zentrale Rolle bei der Verknüpfung von Gesehenem mit Sprache inne, wie es beispielsweise beim Lesen und Schreiben von großer Bedeutung ist.
Dementsprechend erhält der Gyrus angularis seine Informationen vor allem aus der Sehrinde, dem visuellen Cortex, woraufhin diese prozessiert und in das Wernicke-Zentrum weitergeleitet werden.

Das Wernicke-Areal entlässt unter anderem über den Fasciculus arcuatus Fasern zum Broca-Areal. Die beiden Sprachzentren stehen also miteinander in enger Verbindung.

Funktion des sensorischen Sprachzentrums

Das Wernicke-Areal spielt eine immense Rolle beim Sprachverständnis.

Dies bedeutet, dass es nicht nur bei der zwischenmenschlichen Kommunikation eine Rolle spielt sondern auch bei Denkprozessen eines Einzelnen, da ja auch diese größtenteils über sprachliche Formulierungen laufen.

klinische Bewandnis des sensorischen Sprachzentrums

Eine Läsion im Bereich des Wernicke-Areals mit Störung der Sprache wird als sensorische oder Wernicke-Aphasie bezeichnet. Hierbei ist das Sprachverständnis deutlich gestört.

Die Patienten sprechen – im Gegensatz zu Patienten mit einer Broca-Aphasie – häufig flüssig und viel (Logorrhoe) und in normaler Satzmelodie, dabei aber oftmals unverständliche Worte.

Auch Satzbau und Grammatik ergeben zumeist keinen Sinn mehr. Sie bedienen sich semantischer und phonematischer Paraphasien.

Semantische Paraphasien beschreiben eine Verwechslung von Worten aus einer ähnlichen Bedeutungsgruppe, zum Beispiel Tisch anstelle von Stuhl.

Phonematische Paraphasien sind Wortneubildungen (Neologismen), die das ursprünglich gemeinte Wort zum Teil noch erahnen lassen (zum Beispiel Bulme anstelle von Blume), teilweise aber auch keinen Rückschluss mehr auf das Ursprungswort zulassen.

Im Gegensatz zur Broca-Aphasie bemerken die Patienten mit Wernicke-Aphasie zumeist nicht, dass etwas mit ihrer Sprache nicht stimmt, sie verstehen also nicht, warum ihr Gegenüber nicht adäquat reagiert.

Eine Läsion der sekundären Hörrinde im Bereich der nicht-dominanten Hemisphäre hingegen führt nicht zu einer Beeinträchtigung des Sprachverständnisses, da das Wernicke-Sprachzentrum nur einseitig, in der dominanten Hirnhälfte vorhanden ist.

Eine Störung in der nicht-dominanten Hirnhälfte führt unter anderem zu einem Verlust des Musikverständnisses und -erkennens.

Eine Schädigung des Gyrus angularis, der die sekundäre Hörrinde mit der Sehrinde verbindet, hat zumeist Störungen des Lesens (Alexie) und Schreibens (Agraphie) zur Folge.
Die Betroffenen können außerdem häufig Gegenstände die man ihnen zeigt, nicht benennen und umschreiben sie dann umständlich mit anderen Worten. So wird zum Beispiel der Stift zu etwas, mit dem man schreibt.

Das Sprachzentrum ist also ein komplexes Netzwerk, das seine zwei Hauptorgane im Frontallappen und Temporallappen hat und mit anderen Bereichen des Gehirns über zahlreiche Nervenfasern in Verbindung steht. Sicherlich ist heutzutage die Entstehung von Sprache noch immer nicht in ihrer ganzen Komplexität verstanden.

Weitere Informationen zum Thema Sprachzentrum

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 26.11.2007 - Letzte Änderung: 25.07.2023