Auffällig ist, dass beim Stottern eine Koordinationsstörung der Sprechmuskulatur auftritt und Jungen im Verhältnis zu Mädchen häufiger betroffen sind. Es gibt zwei verschiedene Formen des Stotterns, das tonisches Stottern und das klonisches Stottern, die auch gemeinsam in Erscheinung treten können.
Medizinisch / Fachbegriff: Balbuties
Englisch: Stuttering
Stottern (Balbuties) bezeichnet eine Störung im Redefluss. Der Sprechablauf wird häufig durch Wiederholungen von Lauten und Wortsilben unterbrochen. Dabei dominiert eine Koordinationsstörung der Sprechmuskulatur.
Die Ursachen des Stotterns sind bis heute nicht vollständig geklärt. Man geht von einem multifaktoriellen Geschehen aus. Sprechen ist ein kompliziertes Zusammenwirken verschiedener Aktionen, die von unserem Gehirn kontrolliert werden. Beim Sprechen müssen die Atmung, Stimmgebung und Artikulation sofort einwandfrei funktionieren.
Dieses Zusammenspiel ist beim Stottern gestört. Da Stottern außerdem familiär gehäuft vorkommt, gehen Wissenschaftler von einer erblichen Veranlagung für Stottern aus. Wahrscheinlich sind mehrere Faktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung des Stotterns verantwortlich. Bestimmte Faktoren führen dazu, dass sich die Sprechstörung schließlich verfestigt.
Es gibt sowohl Hinweise auf eine Störung der Nervensignale im Rahmen des Sprechprozesses als auch Hinweise, die auf eine motorische Störung beim Sprechen hinweisen. Darüber hinaus gibt es viele Fälle, in denen die Ursache für Stottern ein Trauma ist. Stottern kann posttraumatisch auftreten, zum Beispiel nach einem sehr schweren Lebensereignis. Daneben können auch Angst und Nervosität zum Stottern führen beziehungsweise dazu beitragen, dass das Stottern aufrechterhalten wird und sich als Sprachstörung verfestigt.
Psychische Ursachen spielen eine wichtige Rolle bei der multifaktoriellen Genese dieser Sprechstörung. Emotionen wie Furcht, Ängstlichkeit und Nervosität können situativ Stottern verursachen. Grundsätzlich kann es dazu kommen, dass für jeden Menschen in für ihn unangenehmen, nervösen Situationen das Stottern beginnt.
Problematisch ist bei dem Krankheitsbild Stottern, dass psychische Ursachen das Stottern zunächst verstärken und mit der Zeit sogar verfestigen können. Liegt vielleicht eine genetische Veranlagung vor und weitere Faktoren, die das Stottern begünstigen, können psychische Empfindungen die Sprechstörung dauerhaft verankern. Daneben kann ein Stottern außerdem infolge eines schwerwiegenden Traumas entstehen.
Verschiedene Faktoren beeinflussen die Entstehung von Stottern. Stress ist ein wichtiger Faktor, der das Stottern begünstigen kann. Stress bedeutet für jeden Menschen etwas anderes und die Reaktion auf Stress ist schwer zu kontrollieren. Stressige Situationen können bei Menschen Emotionen wie Versagensangst, ein Druckgefühl und/oder Nervosität hervorrufen.
Diese können das Stottern sowohl in Situationen verursachen als auch langfristig als Sprechstörung verankern. Stress hat einen enormen Einfluss auf unsere Gesundheit und kann ein Faktor in der Entstehung von Stottern sein.
Stottern betrifft Jungen eher als Mädchen. Das Verhältnis liegt bei 4:1.
Bei 70 Prozent der Stotterer lassen sich psychische Ursachen nachweisen.
In weniger als zehn Prozent der untersuchten Fälle konnte eine erbliche Ursache nachgewiesen werden. Bei Hirnuntersuchungen von stotternden Kindern hat man sehr oft hirnorganische Ursachen entdeckt. In einer Studie hat man sogar bei jedem Fünften eine Hirnschädigung nachweisen können.
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Es gibt zwei verschiedene Formen des Stotterns, die aber nicht zwangsläufig getrennt sondern durchaus gemeinsam auftreten können.
Beim Tonischen Stottern werden Silbenenden gedehnt. Der Stotternde hängt mitten in einem Wort fest („Bahn-n-nhof“)
Beim klonischen Stottern werden die ersten Buchstaben der Wörter wiederholt. Der Betroffenen schafft den Anfang eines Wortes oder eines Satzes nur durch mehrfaches wiederholen des Anfangs („B-B-B-Bahnhof“)
Kommt es infolge eines Schlaganfalls zu Stottern, obwohl man vor dem Anfall nie gestottert hat, gehen Wissenschaftler von dem sogenannten erworbenen neurogenen Stottern aus. Stottern entsteht selten im Erwachsenenalter und wenn, liegt dem Stottern häufig eine ernste Ursache zugrunde, wie eine Hirnschädigung, ein Trauma oder der Einfluss bestimmter Medikamente (Psychopharmaka).
Durch die Hirnschädigung bei dem Schlaganfall können motorische Störungen beim Sprechen entstehen, die das Stottern hervorrufen, oder die Zerstörung komplizierter Verschaltungen im Nervensystem.
Dem Betroffenen ist während des Stotterns seine Sprechhemmung vollkommen bewusst.
Die willkürliche Kontrolle über den Sprechablauf ist nicht vorhanden. Diese Diskrepanz schafft ein Spannungsgefühl und Unwohlsein gegenüber der Umwelt. Besonders in stressigen Situationen oder im Affekt (Gemütsstimmung) sind die Symptome des Stottern noch viel deutlicher und die Sprechhemmung ausgeprägter.
Der Körper ist beim Stotternden von daher von vornherein angespannter bis verkrampft. Sichtbar wird dies vor allem in der mimischen Muskulatur. Mitte im Wort oder am Wortanfang kann sich demnach die Gesichtmuskulatur krampfhaft anspannen. Auch der Atemfluss kommt ins Stocken und wird von einem heftigen Einatmen bis hin zum Atemanhalten während des Sprechens gestört.
Angespanntsein, Verkrampfung, Atemflussstörung und Sprechhemmung können weiterhin zu einer emotionalen Reaktion in Form von Errötung, Schwitzen und Schamgefühl führen.
Stottern tritt in Familien oft gehäuft auf. Es gibt zurzeit keinen wissenschaftlichen Beweis, dass Stottern direkt vererbt wird. Man geht davon aus, dass eine entsprechende Veranlagung für das Stottern innerhalb von Familien weitergegeben wird. Für diese erbliche Komponente spricht außerdem die Tatsache, dass Jungen und Männer deutlich häufiger stottern als Mädchen und Frauen.
Es wird angenommen, dass Stottern auf einer multifaktoriellen Genese beruht. Das bedeutet, dass wenn eine erbliche Veranlagung vorliegt und Auslöser auftreten, zum Beispiel eine stressige Situation, wird das Stottern zu dem Zeitpunkt gefördert. Geschieht dies öfter oder kommen Bedingungen hinzu, die das Stottern aufrechterhalten, verfestigt sich die Sprachstörung bei den Betroffenen.
Wenn Stottern bei einem Kind auffällt, sollte nicht auf eine alleinige Verbesserung gewartet werden – dies ist in der Regel nie der Fall!
Eine früh einsetzende Therapie kann spätere Schwierigkeiten des Sprechens aufhalten oder im besten Falle beheben. Eine genaue Beratung sowie Diagnose findet bei einem Facharzt (für Kinderheilkunde / Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde) statt.
An erster Stelle ist hierbei der Kinderarzt ein Ansprechpartner. Dieser wird ggf. eine Überweisung zu einem HNO-Arzt oder einem Logopäden veranlassen.
Manche HNO-Ärzte haben die Zusatzbezeichnung „Phoniatrie und Pädaudiologie“ und sind in der Regel mit Diagnose und Therapie von Sprachstörung und Sprechstörungen vertraut.
Lesen Sie mehr zur Therapie des Stotterns unter: Logopädie
Stottern ist eine Sprechstörung, die in vielen Fällen heilbar ist. Dabei lässt sich das Stottern sowohl bei Kindern als auch im fortgeschrittenen Alter behandeln. Eine Stottertherapie hilft vielen Betroffenen zu einer deutlichen Verbesserung der Sprechweise. Ein wichtiger Aspekt bei der Behandlung von Stottern ist die Psyche.
Man kann seine Sprechangst durch das Stottern positiv beeinflussen, wenn man an dem Vermeidungsverhalten und der Sprechangst arbeitet. Ein positives Selbstwertgefühl und ein gesunder Umgang mit Stress wirken sich günstig auf die Sprechstörung aus.
Wie sieht die Therapie des Stotterns aus?
Da insbesondere im Erwachsenenalter das Stottern äußerst schwierig zu therapieren ist, sei gleich am Anfang darauf hingewiesen, dass es viele unseriöse Heiler und Methoden gibt, die eine erfolgversprechende Therapie zu unsagbaren Preisen anbieten.
Wissenschaftlich fundierte Therapien existieren aber dennoch und werden in der Regel von der Krankenkasse unterstützt.
Logopäden, Psychologen, Kinder-Jugendpsychiater und Phoniatristen (Schwerpunkt von Hals-Nase-Ohren-Ärzten) haben sich seit Jahrzehnten Gedanken zu der Behandlung des Stotterns gemacht und folgende Ansätze entwickelt:
Atemschulung
Gerade der Atemfluss ist beim Betroffenen erheblich gestört. Atemanhalten, heftiges Ausatmen ungebremste Atemzüge erschweren den Redefluss. Übungen zum rhythmischen, entspannten Atem mit gleichzeitigen Sprechübungen können zu einer entspannteren Situation und einer besseren Sprechkontrolle führen.
Sprech- und Gesangstechnischer Ansatz
Interessanterweise tritt das Stottern beim Singen nicht auf. Diese Tatsache macht man sich therapeutisch nutzbar. Über Gesangs-, Atem- und Stimmtechniken richtet sich diese Therapie auf das Erlernen eines flüssigeren Sprechens aus.
Mentales Training
Hierbei wird in regelmäßigen Sprech- und Leseübungen versucht, zunächst die Angst und Hemmung vorm Sprechen zu nehmen. Regelmäßigkeit und das Antrainieren von Selbstsicherheit sind die Stützpfeiler dieser Therapie. Man geht hierbei von einer Überlagerung alter Sprachmuster durch das Erlernen neuen Sprechverhaltens aus.
Modifikationsansatz
Über verhaltentherapeutische Methoden soll dem Betroffenen die Annahme seiner Sprechstörung erleichtert werden. Über Situations- und Kommunikationstraining innerhalb einer Gruppe sollen Angst und Sprechhemmung genommen werden. Ziel ist eine Modifikation des Stotterns – also eine Verbesserung der Stottersymptome – und nicht eine komplette Heilung.
Weitere Methoden
Die folgenden Methoden werden teilweise unterstützend und in Kombination mit den anderen Ansätzen angewendet. Eine Therapie wird für jeden Stotterer individuell zugeschnitten und berücksichtigt immer Alter, Symptomatik, Voraussetzungen, Intelligenz etc.
Zusätzlich kommen Methoden aus folgenden Bereichen mit zum Einsatz:
Nicht jedes Kind, das stottert, bedarf einer Therapie. Insbesondere im jungen Kindesalter gibt es eine hohe Spontanheilungsrate bei stotternden Kindern. Wird ein Kind jedoch psychisch auffällig oder entwickelt Verhaltensmuster, um das Sprechen zu vermeiden, sollte eine Stottertherapie in Betracht gezogen werden. Häufig findet eine Stottertherapie dann in Form einer Intensivtherapie statt.
Dazu gehört eine logopädische Therapie, die einmal die Woche stattfindet. Außerdem werden Verfahren wie Atemtherapie, Psychotherapie oder Hypnose verwendet. Wichtig ist, dass die Therapie ganz individuell auf die Bedürfnisse des betroffenen Kindes zugeschnitten ist. Eine seriöse Stottertherapie sollte die folgenden Inhalte aufweisen:
Intensives Lernen und Verfestigen des neuen stotterfreien Sprechmusters
Eine intensive, klar strukturierte Nachsorgephase
Eine begleitete Übertragung des Erlernten im Alltag
Eine beständige Erfolgskontrolle
Je nach Alter des Kindes wird eine Stottertherapie bei Kindern altersentsprechend und kindgerecht durchgeführt. So finden in Gruppensitzungen oft gemeinsame Übungs-, Sprech- und Spielrunden in einer Gruppe statt. Darüber hinaus ist es für den Therapieerfolg essentiell, dass die Eltern geschult werden und die Kinder bei der Stottertherapie aktiv unterstützen.
Die Stottertherapie sieht beim Erwachsenen etwas anders aus als beim Kind. Logopädie, Atemtherapie, Psychotherapie und Hypnose oder Körperkoordination stellen die Basis der Stottertherapie dar. Da Erwachsene meistens in einen Berufs- und/oder Familienalltag eingebunden sind, gibt es Angebote für Intensivtherapien über zwei Wochen oder Therapien, die über Monate einmal wöchentlich stattfinden.
Erwachsene machen Übungen, wie Sprechübungen am Computer oder die gemeinsame Reflexion in Gruppensitzungen. Ähnlich wie Kinder finden bei Stottertherapien für Erwachsene häufig Gruppensitzungen statt, in denen man gemeinsam übt und spricht. Typische Übungen für Erwachsene sind zum Beispiele das Sprechtraining in Form von Vorträgen und Lese- sowie Telefonübungen.
Es werden Situationen geübt, die im Alltag eines Erwachsenen typisch sind. So sollen die Betroffenen zum Beispiel üben, Passanten anzusprechen oder ein Verkaufsgespräch in einem Geschäft zu führen. Erwachsene sind nach einer Stottertherapie alleine für die Nachsorge verantwortlich. Oft werden den Betroffenen Internetprogramme und Auffrischungskurse für zuhause mitgegeben, die sie strukturiert zum Üben verwenden sollen. Die Nachsorge einer Stottertherapie dient der Verfestigung der flüssigeren Sprechweise.
Logopäden und Logopädinnen sind Experten für Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen. Sie sind in der Lage herauszufinden, ob bei dem Betroffenen tatsächlich eine Sprechstörung vorliegt und diese auf Basis einer ärztlichen Verordnung zu therapieren. Untersucht werden dabei Störungen des Sprachverständnisses, der gesprochenen und geschriebenen Sprache, das Sprechen, die Atmung, die Stimme, aber auch die Mundfunktion, das Hörvermögen und sogar das Schlucken.
Eine logopädische Therapie wird individuell an die Bedürfnisse und das Alter des Betroffenen angepasst und dabei wird direkt oder indirekt vorgegangen. Indirekt bedeutet, dass der Logopädie spielerisch mit dem Kind arbeitet, ohne die Sprechstörung direkt zu thematisieren. Hier erlernen die Kinder neue Wörter oder Laute, die sie ohne darüber nachzudenken in den Alltag übertragen.
Sie lernen Worte spielerisch und wenden sie „in echt“ an. Bei einem direkten Vorgehen in der Therapie weiß das Kind genau, warum es behandelt wird. Das ermöglicht den Kindern außerdem ein selbstständiges Üben von Aufgaben zuhause, wodurch schnell Fortschritte erkennbar sind. Bei Erwachsenen wird in der Stottertherapie ebenfalls direkt vorgegangen.
Es gibt noch keine Medikamente gegen das Stottern selbst. Dennoch können Medikamente gegen Spannungs- und Angstzustände (Angst) gewisse Situationen erleichtern und dadurch die Symptomatik verbessern.
Den besten Rat hierzu können Kinder- und Jugendpsychiater geben. Sie haben einen großen Erfahrungsschatz in Sachen Angsttherapie und kennen das Spektrum von angstlösenden Medikamenten (Anxiolytika).
Wenn die Bezugspersonen dem Stotterer geduldig zuhören, ihn ausreden lassen und verständnisvoll entgegentreten, führt das beim Stotterer in der Regel zu einer Freude am Sprechen und erleichtert ihm die eigene Kontrolle über seinen Redefluss.
Innerhalb der Familie sollte das Stottern gar nicht beachtet werden. Ganz im Gegenteil fördern korrigierende Eingriffe der anderen, Ungeduld und Inakzeptanz eine Stresssituation und erschweren den Redefluss des Betroffenen.
Letzteres findet vor allem in der Schule statt. Kinder erkennen schnell, dass sie ihren stotternden Mitschüler schwächen und kränken können, gerne korrigieren und ihn durch Belächeln und Ignoranz ärgern können. Eltern und Lehrer sollten sich daher nicht scheuen, die Situation in der Klasse offen anzusprechen, um an das Verständnis der Mitschüler zu appellieren!
Der Betroffene selbst spricht meist ungern über solche Hänselein und verbirgt seinen Scham geschickt vor den Erziehenden und den Eltern.
Auch hier sollten hin und wieder offene Gespräche geführt werden, um die Situation des Kindes einzuschätzen und ggf. einwirken zu können.
Etwa 90% der Stotternden beginnen vor dem sechsten Lebensjahr mit dem Stottern. Von den Betroffenen verliert ein Großteil die Sprechstörung bis zur Pubertät. Dabei beginnt das Stottern insbesondere bei Mädchen früher. Gleichzeitig legen Mädchen die Sprechstörung früher von alleine wieder ab. Die Prognose ist beim Stottern von der Therapie abhängig. Betroffene, die nach der Pubertät noch stottern, haben eine geringe Chance komplett stotterfrei zu sprechen.
Deshalb ist es wichtig, bei Verdacht auf ernstes Stottern früh eine Stottertherapie in Betracht zu ziehen. Eine Verbesserung des Stotterns kann dennoch in jedem Alter mit oder ohne Behandlung auftreten. Mit einer Therapie wird den meisten Stotternden sehr gut geholfen. Eine komplette Remission ist nicht immer möglich. Jedoch hilft den meisten Menschen eine Stottertherapie gut, beschwerdefreier zu sprechen. Eine Therapie ist deshalb sowohl für Kinder als auch für Erwachsene indiziert.