Durchgangssyndrom

Als Durchgangssyndrom wird ein vorübergehender Verwirrtheitszustand in Folge verschiedener auslösender Faktoren bezeichnet. Als Auslöser für eine Durchgangssyndrom gelten vor allen Operationen und Alkoholentzug.

Durchgangssyndrom

Definition

Das Durchgangssyndrom ist eine vorübergehende Form eines organischen Psychosyndroms, das im Zusammenhang mit schweren körperlichen Erkrankungen, intensivmedizinischer Behandlung und postoperativ auftritt. Es kommt spontan über die Dauer von Stunden oder Tagen zum Auftreten von Unruhezuständen, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und Desorientierung, begleitend zeigen sich häufig vegetative Reaktionen wie Schwitzen, Herzrasen und Blutdruckanstieg.

Einleitung

Bei einem Durchgangssyndrom handelt es sich um das Auftreten von verschiedenen und unspezifisch ausgelösten psychischen Störungen. Das Syndrom tritt besonders häufig nach größeren und längeren chirurgischen Operationen auf.

Häufigkeit

Vorübergehende Verwirrtheitszustände finden sich bei stationär behandelten oder postoperativen Patienten durchaus häufig. Wegen der hohen Bandbreite der Symptome ist es allerdings schwierig, präzise Angaben zu machen, Literaturangaben schwanken stark. Es scheint ein Zusammenhang mit der Schwere der Erkrankung bzw. des operativen Eingriffes zu bestehen, ebenso mit der Persönlichkeit (Siehe auch Persönlichkeitsstörung) und Alter der Patienten, sozialem Umfeld und der Ausführlichkeit einer präoperativen Aufklärung.

Ursache

Die Auslöser eines Durchgangssyndroms sind unspezifisch und letztlich nicht geklärt. Es wird ein Zusammenspiel von besonderem Stress im Zusammenhang mit schwerer körperlicher Erkrankung bzw. operativen Eingriffen und bestehenden Ängsten des Patienten vermutet. Da akute Verwirrtheitszustände generell eine Vielzahl von Ursachen haben können, ist u. U. eine umfangreiche Differentialdiagnostik vonnöten, um zugrunde liegende bedrohliche Gesundheitsstörungen auszuschließen (siehe auch Demenz).

Durchgangsyndrom nach einer OP

Ein Durchgangssyndrom tritt zwischen 15 und 50 Prozent bei Patienten nach einem schweren chirurgischen Eingriff auf.
Postoperativ kommt es zu akuten Störungen im Denken, Fühlen und in der Psychomotorik bei dem Patienten. Die Betroffenen sind verwirrt zu Ort und Zeit und gleichzeitig hyperaktiv, sodass sie häufig an Kathetern oder Schläuchen ziehen.

Es können auch Bewusstseinsveränderungen wie das Delir auftreten. Dabei können Symptome wie Verwirrtheit, optische Halluzinationen, Angst- und Furchtzustände vorkommen. Die Patienten sind desorientiert und besonders leiden sie unter körperlicher Unruhe.
Oftmals ist eine gute Überwachung erforderlich, damit die Betroffenen sich nicht noch selbst verletzten oder wichtige Zugänge ziehen. Die Leistungsfähigkeit ist extrem eingeschränkt.
Von einem Durchgangssyndrom sind häufig die Menschen über die 60 Jahren betroffen.

Lesen Sie hier mehr zum Thema: postoperatives Delir.

Wann das Syndrom auftritt, kann zudem auch sehr unterschiedlich ausfallen. Einige Patienten wachen im Aufwachraum nach der Operation auf und sind direkt auffällig. Bei anderen Betroffenen können sich die genannten Beschwerden auch erst innerhalb der ersten Stunden oder auch nach Tagen noch entwickeln.
Zusätzlich können die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Warum das Durchgangssyndrom auftritt, ist noch nicht genau geklärt. Zu den Ursachen zählen mehrere Faktoren, dass Zusammenspiel die Entstehung eines Delius begünstigen kann.

Ältere Patienten entwickeln das Syndrom häufiger als Jüngere. Davon sind nochmal mehr männliche Patienten betroffen. Zudem spielen Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck (Hypertonie) und auch Übergewicht (Adipositas) ebenso eine wichtige Rolle wie die Art und Dauer der Operation.
So kommt nach Durchgangssyndrom eher mal bei Operationen am Herzen oder bei der Versorgung von Oberschenkelhalsbrüchen vor.

An den Ursachen werden bislang noch geforscht. Es wird vermutet, dass während der Operation im Rahmen von verschiedenen Grunderkrankungen Entzündungsprozesse im Gehirn ablaufen. Aufgrund dieser Reizung ist das Immunsystem dauerhaft aktiviert und überlastet. Ein chirurgischer Eingriff noch dazu, führt zur völligen Überforderung der Abwehrkräfte. Daraus folgen sehr starke Abwehrreaktionen, die zusätzlich das Gehirn besonders in den ersten Stunden nach dem Eingriff schädigen.
In den meisten Fällen handelt es sich bei dem Durchgangssyndrom um einen vorübergehenden Zustand. Die Beschwerden entwickeln sich zurück und der Patient klart wieder völlig auf. Nur in den seltensten Fällen bleibt die Versiertheit und Desorientierung dauerhaft bestehen, sodass der Patient zu einem dauerhaften Pflegefall wird.

Durchgangssyndrom nach einer Herz-OP

Unter einem Durchgangssyndrom versteht man eine zeitlich begrenzte psychische Störung, die nach großen chirurgischen Eingriffen auftreten kann. Charakteristisch dafür sind Orientierungsstörungen, Verwirrtheit, Stimmungsschwankungen und Halluzinationen. Eine vegetative Begleitreaktion mit Schweißausbrüchen, Bluthochdruck und Herzrasen kommt oft dazu. Gerade nach Herzoperationen tritt dieses Phänomen häufiger auf; vor allem wenn die Operation unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine durchgeführt wurde.

Durchgangssyndrom nach künstlichem Koma

Bei einem künstlichen Koma wird ein Patient über Tage bis hin zu Wochen durch Medikamente in einen Vollnarkose-ähnlichen Zustand versetzt. Bewusstsein und Schmerzempfinden werden ausgeschaltet. Dies erreicht man durch Narkose- und Schmerzmittel, die dem Patient kontinuierlich über die Vene verabreicht werden. Der Patient wird währenddessen auf einer Intensivstation streng überwacht. Dies wird nach schweren Gehirnverletzungen, langwierigen Operationen oder bei schweren Infektionen gemacht, wenn eine künstliche Beatmung notwendig ist. Erholt sich der Körper soweit vom ursprünglichen Grundproblem treffen die Intensivmediziner die Entscheidung die Medikamente zu reduzieren, die den Patient in diesem künstlichen Dauerschlaf halten. Man kann sich leicht vorstellen, dass es während dieser Aufwachphase und danach zum Durchgangssyndrom kommen kann. Die Patienten sind verwirrt und orientierungslos, oft aggressiv. Es dauert bis sie sich wieder an die Umwelt gewöhnen und das Erlebte einordnen können.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Künstliches Koma

Durchgangssyndrom nach einem Schlaganfall

Beim Schlaganfall kommt es zu einer plötzlich auftretenden Durchblutungsstörung im Gehirn, in dessen Folge es zu einem Absterben von Nervenzellen kommt. Oft müssen die Betroffenen für eine Zeit lang auf der Intensivstation behandelt werden. Hier zeigt sich, dass bei diesen Patienten oft eine vorübergehende Verwirrtheit oder Desorientierung auftritt. Dies nennt man Durchgangssyndrom. Es ist häufig bei Erkrankungen des Gehirns und während eines Intensivstationsaufenthalt.

Lesen Sie mehr zum Thema: Therapie eines Schlaganfalls

Durchgangssyndrom nach einem Herzinfarkt

Bei einem Herzinfarkt kommt es zu plötzlich auftretenden Durchblutungsstörungen am Herzen, in dessen Folge es zu einem Absterben von Herzmuskelzellen kommt. Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen können die Folge sein. Daher werden viele Patienten zunächst auf der Intensivstation überwacht. Auch hier kann  ein Durchgangssyndrom auftreten. Das Risiko für diese vorübergehende Orientierungsstörung ist geringer als bei Erkrankungen des Gehirns oder nach Operationen. Mit der Dauer des Intensivstationsaufenthalts steigt aber auch hier die Wahrscheinlichkeit an einem Durchgangssyndrom zu erkranken.

Lesen Sie mehr zum Thema: Herzinfarkt

Durchgangssyndrom nach Bypass-OP

Mit einer Bypass Operation versucht man die Durchblutungssituation am Herzen zu verbessern, indem Engstellen in den Herzkranzgefäßen durch körpereigene Blutgefäße überbrückt werden. Dabei handelt es sich meist um einen Routineeingriff. Allerdings ist der Patient während der Operation normalerweise an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Dieses Gerät kann kurzzeitig die Funktion von Herz und Lunge übernehmen. Nach Eingriffen dieser Art haben Patienten jedoch ein deutlich erhöhtes Risiko postoperativ ein sogenanntes Durchgangssyndrom zu entwickeln.

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Symptome

Die Patienten erscheinen unruhig, teilweise desorientiert und unkooperativ, indem sie z. B. Katheter oder Infusionsnadeln selbstständig entfernen. Das Bewusstsein ist meist eher leicht getrübt, ähnlich einem Halbschlaf-Zustand, es kann aber auch zu paranoiden Zustände und Trugwahrnehmungen kommen.

Begleitend können Schwitzen, Blutdruckanstieg ( Siehe Bluthochdruck) und Herzrasen (Siehe Herzrhythmusstörung) als Zeichen einer Aktivierung des vegetativen Nervensystems (Siehe Nervensystem) auftreten.

Die Symptome beginnen plötzlich, im Zusammenhang mit operativen Eingriffen häufig mit einer Verzögerung von einigen Tagen nach dem Eingriff, und halten mit wechselnder Stärke stunden- bis tagelang an. An die Episoden selbst können sich die Betroffenen im Nachhinein häufig nicht erinnern.

Diagnostik

Als ursächlich für akute organische Psychosyndrome (Siehe auch Drogenpsychose) bei stationären Patienten sind z. B. Medikamente(-nnebenwirkungen), Stoffwechsel- und Mineralienstörungen, Infektionen aber auch psychische Reaktionen auf die empfundene Bedrohung durch die Erkrankung in Betracht zu ziehen.

Aufgrund ihrer Häufigkeit und Gefährlichkeit insbesondere abzuklären sind z. B. eine Unterzuckerung des Patienten (Blutzuckerkontrolle; Siehe Diabetes mellitus) ein Sauerstoffmangel (Blutgasanalyse) und systemische Infektionen („Sepsis“; Kontrolle von Entzündungswerten in der Blutprobe und Fiebermessen).

Behandlung

Nachdem das Durchgangssyndrom eindeutig diagnostiziert wurde, bedarf es einer speziellen Behandlung, die sich darauf konzentriert, das psychische Befinden des Patienten wieder zu stabilisieren.

Inwieweit eine Behandlung erforderlich ist, hängt maßgebend von der Ausprägung und dem Schwertgrad des Durchgangssyndroms ab.
Bei manchen Patienten bleibt die Verwirrtheit nicht lange bestehen und es reicht eine gute Pflege aus um den Patienten wieder zu helfen. Eine Therapie mit entsprechenden Medikamenten wird meistens dennoch von den Ärzten empfohlen, da sie einer Verschlechterung des Zustandes vorbeugen können.

Im Fokus steht, dass der Patient sich wieder orientieren kann und sich weitgehend selbst versorgen und pflegen kann insofern keine anderen schwerwiegendere Erkrankung vorliegt. Medikamentös werden Patienten mit einem Durchgangssyndrom mit Neuroleptika behandelt.
Dabei handelt es sich um ein Arzneimittel aus der Gruppe der Psychopharmaka. Sie werden bei Erkrankungen, die das Denken und besonders auch die Wahrnehmung beeinträchtigen, eingesetzt. Neuroleptika haben eine beruhigende Wirkung auf die Sinneswahrnehmung, indem sie die Erregungsübertragung durch den Neurotransmitter Dopamin im Gehirn an den Synapsen hemmen.
Im Falle eines Durchgangssyndroms werden sie oft auch über die Vene gespritzt, so haben sie in der Akutsutuation eine schnelle Wirkung und lindern die Symptome. Häufig werden in der Klinik die Medikamente Haloperidol oder Risperidon verwendet.
Sie wirken beruhigend und verbessern zusätzlich auch den Schlaf des Patienten, sodass das dieser besser zur Ruhe kommt und seine Beschwerden sich auch grundsätzlich verbessern.

Leidet der Patient zusätzlich unter einer depressiven Störung, können die Neuroleptika auch durch Psychopharmaka ergänzt werden. Es werden dann auch Antidepressive oder Benzodiazepine verabreicht. Bei letzterem handelt es sich ebenfalls um eine Beruhigungs- und Schlafmittel, das seine Wirkung auch über die Hemmung der Neurotransmitter an den Synapsen im Gehirn entfaltet.

Weiterhin werden die Symptome, die aufgrund der Situation des Patienten ausgelöst werden, behandelt. So werden entsprechende Medikamente gegen einen erhöhten Blutdruck und Puls gegeben. Wird der Betroffene trotz eines Durchgangssyndrom entlassen, weil er zu Hause durch Angehörige ausreichend umsorgt werden kann, sollte weiterhin auf alkoholische Getränke verzichtet werden.
Aufgrund der Wirkung die Alkohol auf das Gehirn hat, können sich die Beschwerden wieder verschlechtern.

In den meisten Fällen ist einem Durchgangssyndrom jedoch eine schwere Operation vorausgegangen, sodass der Patient häufig noch länger im Krankenhaus überwacht und gepflegt wird. In der Anfangsphase ist oftmals eine intensivmedizinische Versorgung notwendig. Für Angehörige ist der Zustand des Patient oft nicht verständlich und bedeutet eine große Belastung. Sie müssen ebenfalls unterstützt werden und dazu angeleitet werden, wie sie dem Betroffenen am besten helfen und unterstützen können. Für viele stellt es eine Herausforderung da, mit einem Menschen umzugehen, der nicht ganz er selbst ist.

Prognose

Die Prognose ist im Allgemeinen gut, die Symptome sind über Stunden bis Tage rückläufig. Wichtig ist allerdings, keine schwerwiegende Gesundheitsstörung als Ursache für ein akutes organisches Psychosyndrom zu übersehen.

Dauer

Wie lange ein Durchgangssyndrom in der Regel anhält, kann nicht genau definiert werden, da die Dauer der Symptome oftmals auch vom Alter des Patienten und von der Schwere der zuvor durchgeführten Operation abhängig sind.
In manchen Fällen kann das hervorgerufene Delir auch nur schwach ausgeprägt sein, sodass oftmals auch keine spezielle Behandlung notwendig ist. Der Patient wird beobachtet und gepflegt und nach einigen Tagen können die Beschwerden sich auch wieder spontan zurück bilden. Liegt ein ausgeprägteres Durchgangssyndrom bei einem zudem älteren Patienten vor, können die Symptome auch bis zu mehreren Wochen anhalten.

Hier ist es wichtig eine entsprechende Therapie durchzuführen, um weitere Komplikationen zu verhindern. Es sollte natürlich unbedingt verhindert werden, dass die Psychosen dauerhaft bestehen bleiben und nicht in ein chronisches hirnorganisches Syndrom übergehen. In sehr seltenen Fällen kann eine schwerer chirurgischer Eingriff dazu führen, dass besonders bei einem älteren Patient die psychische Störung dauerhaft zurück bleibt.

Zusammenfassung

Als Durchgangssyndrom wird ein vorübergehender Verwirrtheitszustand im Gefolge operativer Eingriffe und im Zusammenhang mit stationärer Behandlung von Patienten bezeichnet. Die Betroffenen sind unruhig, bewußtseinsgetrübt, desorientiert, zum Teil auch aggressiv. Die Stärke der Symptomatik schwankt im Verlauf. Über Stunden bis Tage bilden sich die Symptome von selbst zurück, allerdings sind andere (gefährliche) Gesundheitsstörungen als Ursache der Bewusstseinsstörung auszuschließen.

Eine spezifische Therapie des Durchgangssyndroms ist nicht möglich, die Symptome bilden sich im Laufe von Stunden bis Tagen von selbst zurück. Zur Behandlung der körperlichen Begleitsymptome kann ein Medikament wie z. B. Clonidin gegeben werden, das dämpfend auf das vegetative Nervensystem wirkt, ein engmaschiges Monitoring der Kreislaufparameter kann erforderlich sein.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 01.02.2009 - Letzte Änderung: 21.06.2024