Unter Spastik wird die erhöhte, ungewollte Muskelspannung bezeichnet. Oft kommt die Spastik bei der Multiplen Sklerose vor, wobei meistens die Beinmuskeln betroffen sind. Sie wird hauptsächlich mittels Physiotherapie und Krankengymnastik behandelt, doch Medikamente können auch eingesetzt werden.
Unter Spastik versteht man eine ungewollte Anspannung der Muskulatur über das normale Maß hinaus. Neben der erhöhten Muskelspannung treten auch Muskelzuckungen, Muskelkrämpfe und Muskelstarrheit auf. Spastiken können immer wieder in Phasen auftreten oder kontinuierlich bestehen. Sie treten häufig bei Multipler Sklerose auf und sind hier nicht selten kombiniert mit einer Muskelschwäche.
Die Spastiken können Schmerzen verursachen und zu Einschränkungen der körperlichen Beweglichkeit führen. Das Ausmaß der Spastiken ist bei jedem Multiple Sklerose Patienten anders. Manche sind durch die Spastiken sehr stark in ihrem Alltagsleben beeinträchtigt, während andere nur leichte Einschränkungen haben. Leider ist Spastik einer der häufigsten Gründe für Behinderungen bei MS.
Bei MS entstehen im zentralen Nervensystem, also im Gehirn und im Rückenmark, immer wieder Entzündungsherde. Diese führen dazu, dass die Verbindungen zwischen den Nervenzellen zu Grunde gehen. Im eigentlichen Sinne wendet sich die Entzündung gegen die Isolierung der Nervenzellverbindungen, dem Myelin. Dieses kann man sich wie ein Kabel vorstellen. Durch die Zerstörung der Isolierung kann die Übertragung zwischen den Nervenzellen nicht mehr stattfinden.
Für die Bewegungen der Muskulatur sind die sogenannten Motorneurone verantwortlich. Es sind immer zwei Motorneurone miteinander verbunden. Eines sitzt im Gehirn, während das zweite im Rückenmark sitzt und für die Bewegung eines bestimmten Muskels oder einer Muskelgruppe sorgt. Wenn die Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Motorneuron gestört ist, z.B. im Rahmen einer Entzündung bei Multipler Sklerose, wird das zweite Motorneuron nicht mehr durch das erste gehemmt. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Anspannung in der Muskulatur. Eine Spastik entsteht.
Für vertiefende Informationen lesen Sie doch auch: Die Myelinscheide
Prinzipiell können alle Muskelgruppen von einer Spastik betroffen sein, wenn der Entzündungsherd sich am entsprechenden Ort befindet. Daher entsteht ein individuelles Bild der betroffenen Muskelgruppen. Öfter treten Spasmen jedoch in den Beinmuskeln auf. Dies ist unter anderem der Fall, weil die Nervenverbindungen hier besonders lang sind. Die Spasmen treten dort häufig auf und sind zum Teil auch das erste Symptom einer Multiplen Sklerose.
Die Arme sind in der Regel im weiteren Verlauf betroffen. Sie sind jedoch oft nicht so stark von den Spasmen und den Muskelschwächen betroffen. Seltener sind Spastiken in der Rumpf- oder Halsmuskulatur. In der Regel ist eine Körperhälfte stärker von den Spastiken betroffen als die andere. Aber auch hier gibt es starke individuelle Unterschiede.
Weitere Informationen finden Sie unter: Multiplen Sklerose
Durch die Spastiken wird die Beweglichkeit der betroffenen Muskulatur eingeschränkt. Bei manchen Patienten treten die Spastiken erst nach längerer Belastung auf. Viele sind in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt. Die Spastiken werden in der Regel zusätzlich von einer Muskelschwäche begleitet. Des Weiteren kann ein schmerzhaftes Spannungsgefühl oder Krämpfe in den Muskeln auftreten. Über einen längeren Zeitraum können Muskel- und Sehnenverkürzungen entstehen, wodurch die Beweglichkeit der Arme und Beine eingeschränkt wird. Des Weiteren können sich über Jahre Verschleißerscheinungen an den Gelenken bilden, da die Spastiken zu einer Fehlbelastung der Gelenke führen.
Die Spastiken selbst als auch die Folgen, welche über Jahre entstehen, wie die Gelenkschäden, können zu starken Schmerzen führen. Zudem kann es zu einer sogenannten spastischen Blase kommen. Hier liegen Entzündungsherde im Rückenmark so, dass sie die Bahnen der willkürlichen Blasenkontrolle betreffen. Dadurch kann es bereits bei geringen Füllmenge der Blase zu starken und dringendem Harndrang kommen. Die Lebensqualität kann hierdurch stark beeinträchtigt werden. Auch Schwierigkeiten beim Geschlechtsverkehr sind möglich. Schlussendlich geht die Spastik häufig auch mit einer schnellen Ermüdbarkeit einher. Man spricht hier von der Fatigue.
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Eine unverzichtbare Hauptsäule der Behandlung ist die Physiotherapie und die Krankengymnastik. Es gibt eine Reihe an Übungen, die gegen Spastiken eingesetzt werden und dann auch selbstständig zuhause absolviert werden können. Unter anderem ist eine passive Streckung der Arme und Beine wichtig, um die Beweglichkeit zu erhalten und Muskel- und Sehnenverkürzungen vorzubeugen. Gleichzeitig wird die Muskulatur hierdurch entspannt und die Durchblutung gefördert. Des Weiteren können Körperhaltungen eintrainiert werden, welche die Muskelanspannung reduzieren. Hierfür können auch Muskelmobilisierungstechniken und Kältetherapien eingesetzt werden. Ergänzend zur Therapie sind auch Bewegungsübungen im Wasser oder Massagen sinnvoll. Zusätzlich können Ergotherapeuten den Betroffenen helfen, den Alltag trotz Einschränkungen möglichst selbstständig zu gestalten. Unter Umständen kann eine Orthese, z.B. eine Knieschiene, den Alltag erleichtern. Alternative Heilmethoden können ergänzend eingesetzt werden, z.B. Akupunktur oder Entspannungsübungen. Diese sind bisher in ihrer Wirksamkeit jedoch nicht wissenschaftlich nachgewiesen. In seltenen sehr schweren Fällen ist eine Operation indiziert, um Fehlstellungen zu korrigieren, Sehnen zu verlängern oder Gelenke zu sichern.
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Wenn eine Bewegungstherapie nicht ausreicht, um die Beschwerden zu lindern, kommen Medikamente zum Einsatz. Bei Spastiken werden Muskelrelaxantien und Antiepileptika eingesetzt. Diese sollen die Muskeln entspannen. In Tablettenform wird oft Baclofen oder Tizanidin angewendet. Muskelrelaxantien können in schweren Fällen über einen Schlauch direkt in das Rückenmark gegeben werden. Eine andere Möglichkeit sind Neurotoxine, also Nervengifte. Diese werden über eine Spritze direkt in den Muskel injiziert und wirken dort für etwa 2 Monate. Mittlerweile sind in schweren Fällen zur Behandlung der Spastik auch Cannabinoide erlaubt.
Lesen Sie mehr dazu unter: Therapie der multiplen Sklerose
Wichtig ist es, dass die Übungen aus der Physiotherapie auch regelmäßig zu Hause durchgeführt werden. Bei leichter Spastik sollte man selbst auf eine gute körperliche Verfassung achten. Hierbei helfen Dehnungs- und Stärkungsübungen, die man selbstständig absolvieren kann. Empfehlenswert ist es, die Übungen mit seinem Physiotherapeuten abzusprechen, damit diese richtig und zielführend umgesetzt werden können. Außerdem ist es hilfreich aktiv darauf zu achten, welche Übungen oder Therapien einem individuell am besten helfen. Hierfür kann ein Körperwahrnehmungstraining helfen. Auch ein Austausch mit anderen Betroffenen kann hilfreich sein und neue Ansätze zur Beschwerdelinderung bringen. Zudem sollte bei Symptomverschlechterung immer zeitnah ein Arzt aufgesucht werden, um mögliche Spätfolgen rechtzeitig abzuwehren.
Leider ist die Multiple Sklerose bis heute nicht heilbar und nimmt über Jahre einen kontinuierlichen fortschreitenden Verlauf an. Viele MS-Betroffen sind nach vielen Jahren der Erkrankung auf einen Rollstuhl angewiesen. Jedoch kann durch die heutigen Therapien der Verlauf der MS in ihrer Intensität abgeschwächt werden. Die Lebensqualität der Betroffen ist in den letzten Jahren merklich gestiegen. Außerdem gibt es mehr Medikamente, die die Entzündungen im zentralen Nervensystem bekämpfen. Daher hat sich die Prognose in den letzten Jahren deutlich verbessert. Individuell sind die Verläufe der Erkrankung jedoch sehr verschieden.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: Verlauf der multiplen Sklerose
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