Eine Augenverätzung kann durch Säuren oder Laugen entstehen. Sie kann zu schweren Schäden bis hin zur Erblindung führen. Daher sollte das verätzte Auge unverzüglich mit Wasser gespült werden und sofort ein Augenarzt aufgesucht werden. Als Therapie stehen dann Augentropfen und Infusionen zur Verfügung. Bei starken Hornhautschäden kann eine Hornhauttransplantation helfen.
Als Verätzung des Auges wird die Schädigung von Strukturen des Auges durch unterschiedliche chemische Substanzen bezeichnet.
Dabei können je nach Einwirkungsdauer, Stärke und Typ der Chemikalie unterschiedlich starke Verätzungen auftreten, die in mehrere Stadien eingeteilt werden können.
In jedem Fall ist die Verätzung des Auges ein akuter Notfall, der sofort eingeleitete Erste-Hilfe-Maßnahmen direkt am Unfallort und eine ärztliche Behandlung benötigt.
Das betroffene Auge muss sofort ausgespült werden, da Augenverätzungen zu schweren Schäden wie Erblindung oder dem Verlust des Auges führen können.
Verätzungen des Auges können durch Kontakt mit Säuren oder Basen entstehen.
Säureverätzungen können z.B. durch Flüssigkeiten aus der chemischen Industrie, Autobatterien und Säuren in Haushalt und Beruf verursacht werden.
Basen befinden sich in Reinigungsmitteln und auch in Kalk.
Auch Klebstoffe können eine Verätzung bewirken.
Die meisten Verätzungen geschehen während des Umgangs mit schädlichen Substanzen am Arbeitsplatz, jedoch können auch in der Freizeit Augenverätzungen geschehen.
Der Großteil der Patienten sind junge Menschen, die die Verätzung im Zuge von Unfällen im Haushalt oder der Arbeit erleiden. Weiterhin sind auch Angriffe mit Säuren und Laugen ein Grund für Verätzungen am Auge.
Je nachdem, welche Säure oder Lauge ins Auge gelangt, findet der Vorgang der Verätzung unterschiedlich schnell statt.
Säuren und Basen führen beide zum Untergang der äußeren Strukturen des Auges. Sie tun dies über unterschiedliche Wirkmechanismen.
Zusammen mit den Verbrennungen machen die Verätzungen einen Anteil von ca. 8 -18% an allen Augenverletzungen aus.
Die Basen führen durch die Hydroxyionen (OH--Ionen) zu einer Schädigung von Zellmembranen und dadurch zum Untergang der betroffenen Zellen. Weiterhin wird durch den kationischen (positiv geladenen) Anteil der Base die Zerstörung von Epithel (oberflächliche Schutzzellschicht) der Hornhaut und Bindehaut (Konjunktiva), sowie auch des stützenden Bindegewebes, eingeleitet.
Das bedeutet, dass alle äußerlichen Zellschichten des Auges angegriffen und zerstört werden – es findet eine Verflüssigung der schützenden äußeren Zellschichten statt (Kolliquationsnekrose).
Dadurch gelangt die Base letztendlich auch in die inneren Bereiche des Auges. Hier erhöht sich der pH-Wert durch die eingedrungenen OH--Ionen. Dies führt letztendlich zur Zerstörung der tiefer gelegenen Strukturen des Auges: dem Ziliarkörper, der Iris und der Linse.
Säuren wirken durch H+-Ionen (Protonen). Diese führen dazu, dass die natürlichen Proteine des Auges ihre ursprüngliche Funktion und Struktur (Konformation) verlieren. Dieser Vorgang wird als Denaturierung bezeichnet. Durch den Funktionsverlust der Proteine verliert auch die Zelle am Auge ihre Funktion.
Die Zellen und Proteine gehen unter und bilden einen Verband von untereinander verbundenen und verklumpenden Zellresten, was als Koagulationsnekrose bezeichnet wird . Diese Verklumpung hat zur Folge, dass sich eine Art neue Schutzbarriere bildet, die verhindert, dass die Säure in tiefere Schichten vordringen und Schäden anrichten kann.
Deshalb verursachen schwache bis mittelstarke Säuren eher oberflächliche Schäden. Starke Säuren jedoch überwinden die gebildete Barriere aus Koagulationsnekrose und greifen auch tiefer gelegene Anteile des Auges an.
Bei einer Verätzung des Auges treten Schmerzen im und am Auge auf. Je nachdem, wie großflächig die Verätzung stattgefunden hat, kann auch die Umgebung der Augen betroffen sein (Gesichtshaut, Augenlider).
Um das Herauswaschen des Reizstoffes zu beschleunigen, beginnt das Auge als Schutzmaßnahme zu tränen.
Innerhalb von kürzester Zeit kann sich die Hornhaut durch die Zerstörung der Zellen eintrüben und zur Minderung der Sehkraft führen (Visusminderung).
Dies kann bis zur Erblindung des Auges führen. Es kann eine weißliche Eintrübung des Auges zu sehen sein.
Zudem kann es zu einem krampfartigen Verschluss der Augenlider kommen.
Bei stärkeren Verätzungen besteht die Möglichkeit, dass der Patient als Reaktion auf die Verletzung und den Schmerz in einen Schockzustand fällt.
Besonders wichtig ist die unverzügliche Behandlung der Augenverätzung noch direkt am Unfallort, um den Verlauf und die späteren Heilungschancen zu verbessern.
Diese sollten die Anwesenden durchführen, ohne auf den Arzt zu warten. Noch während der Erste-Hilfe-Maßnahmen sollte ein Arzt gerufen werden oder sich auf den Weg zu einer augenärztlichen Praxis gemacht werden.
Das Auge muss sofort ausgespült werden. Dabei sollte das Auge über einen Zeitraum von mindestens 15 Minuten mit Flüssigkeit ausgespült werden. Im besten Fall wird die Augenspülung bis zur Anwesenheit eines behandelnden Arztes nicht unterbrochen.
Grundsätzlich gilt hier, dass das sofortige Spülen mit Flüssigkeit besser ist, als erst nach längerer Wartezeit mit destilliertem Wasser zu spülen.
Natürlich gilt auch hier, dass kein verschmutztes Wasser verwendet werden sollte.
Der Kopf des Unfallopfers wird auf die Seite der Augenverätzung geneigt, damit das unverletzte Auge nicht zusätzlich noch in Kontakt mit der ätzenden Substanz kommen kann.
Für die dann folgende Augenspülung müssen die Lider gegen den Widerstand des Lidkrampfes offengehalten werden.
Dann wird aus einer Höhe von etwa 10 cm die Spülflüssigkeit ins Auge gegossen. Als Flüssigkeit zum Spülen des Auges eignen sich alle neutralen Flüssigkeiten, die sich in der Umgebung befinden.
Während die Flüssigkeit in das Auge gespült wird, muss der Patient nacheinander in alle Blickrichtungen schauen, damit die Spülflüssigkeit in alle Winkel des Auges gelangt.
Weiterhin sollte der Erste-Hilfe-Leistende alle Winkel des Auges inspizieren, sowie unter die Augenlider schauen. Häufig setzen sich im Zuge von Verätzungen und den danach ablaufenden Prozessen, wie z.B. der Reaktion von Mörtel mit Wasser, feste Körper ab, die bei Verbleib am und im Auge zu weiterführenden Schäden führen können.
Sollte eine Person Mörtel, Zement und andere kalkhaltige Stoffe ins Auge bekommen haben, darf auf gar keinen Fall Wasser als Spülflüssigkeit genutzt werden! In diesem Fall muss sofort ein Arzt aufgesucht werden.
Am besten eignet sich Wasser (Mineralwasser oder Leitungswasser) oder auch Pufferlösung.
Am Arbeitsplatz, wo häufig mit gefährlichen Substanzen hantiert wird, gibt es oft eine sogenannte Augendusche.
Im Notfall und in Ermangelung der oben genannten Möglichkeiten können auch andere wässrige Substanzen, wie Limonade, Bier, lauwarmer oder kalter Tee oder Kaffee zum Spülen verwendet werden.
Ungeeignet ist hingegen Milch, da durch sie die Verätzungsschäden im Auge größer werden können.
Sollten sich noch Kalkteile im Auge befinden, werden diese bestenfalls mit einem feuchten Wattestäbchen vorsichtig entfernt. Direkt auf der Hornhaut (dem durchsichtigen Anteil der Augenvorderseite) sollte dies jedoch vermieden werden.
Während der Spülung kann, wenn vorhanden, in kürzeren Abständen ein Lokalanästhetikum ins Auge getropft werden, um Schmerzen zu lindern.
Nach der sorgfältigen Spülung muss der Patient sofort zu einem Augenarzt oder bestenfalls in eine Augenklinik gebracht werden. Auf dem Weg dorthin sollte das Auge fortwährend gespült werden. Auch beim Augenarzt wird das Auge dann gespült, wozu medizinische Lösungen verwendet werden.
Der Augenarzt untersucht die Augen und beurteilt das Ausmaß der Schäden. Dabei werden auch noch eventuell vorhandene Kalksplitter entfernt.
Als Akuttherapie werden in kurzen Zeitintervallen Tropfen in die Augen gegeben. Vor allem Antibiotika, Vitamin-C-Tropfen und Cortison werden verabreicht.
Bei schweren Verätzungen werden zusätzlich Augentropfen zur Weitstellung der Pupille verabreicht. Vitamin C und Cortison werden oft zusätzlich als Tabletten oder Infusion verordnet.
In bestimmten Zeitabständen werden die Spülungen wiederholt. Der Arzt legt auch fest, wie lange die Therapie fortgeführt werden muss.
In der Wissenschaft werden heute verschiedene Spülmittel auf ihre Vor- und Nachteile diskutiert.
Ein grundsätzliches Problem in der Auswahl des Spülmittels liegt in der Frage, welche Osmolarität es im Vergleich zur Tränen- und Kammerflüssigkeit haben soll.
Das Problem bei der Verwendung von normalem Wasser ist, dass es weniger gelöste Teilchen enthält, als die Flüssigkeit im Inneren des Auges. Das Wasser diffundiert dahin, wo eine höhere Konzentration an Teilchen vorliegt, um die Konzentrationsdifferenz auszugleichen.
Wenn also Wasser als Spülmittel auf eine geschädigte Hornhaut gegeben wird, dann dringt dieses Wasser durch die offenen Stellen der Hornhaut in die tieferen Bereiche des Auges ein und könnte eine möglicherweise bereits vorhandene Wasseransammlung (Ödem) verstärken.
So wird der verätzenden Chemikalie so der Weg in weitere Anteile des inneren Auges erleichtert.
Dementsprechend wird heutzutage an vielen Stellen eine im Vergleich zum Augenwasser hypertone (mehr gelöste Teilen) Flüssigkeit verwendet.
Dadurch dringt das Wasser nicht durch die geschädigte Hornhaut ein. Es besteht die Hoffnung, dass ein Wasser- und Ionenfluss über die Hornhaut aus dem Auge heraus induziert wird und die ätzenden Ionen der Chemikalie so herauslöst werden und nicht tiefer eindringen.
Die Einteilung der Verätzung des Auges erfolgt in vier Stadien. Die Einteilung richtet sich nach der Stärke und der Tiefe der Verletzung, sowie der voraussichtlichen Prognose.
Stadium I und II bezeichnen eher leichte und oberflächliche Verletzungen. Sie machen sich durch eine Hyperämie (übermäßige Blutzufuhr an der betroffenen Stelle durch erweiterte Gefäße), sowie eine Chemosis (Ödem der Bindehaut, Flüssigkeitseinlagerungen im Gewebe) bemerkbar.
Weiterhin sind kleinere Erosionen der Hornhaut sichtbar. Dabei handelt es sich um kraterartige Verletzungen der Hornhaut, entstanden durch die einwirkende Chemikalie.
Das Epithel nimmt häufig eine hellere gräulich-glasige Farbe an.
Die Stadien III und IV bezeichnen stärkere Verätzungen, die eine größere Fläche und vor allem auch tiefere Schichten des Auges betreffen.
Im Gegensatz zu den leichten Schäden zeigt sich bei den Stadien III und IV keine Hyperämie, sondern eher ein Durchblutungsmangel (Ischämie). In den Gefäßen finden sich oft Thromben (Verklumpungen von Blutplättchen), die einen Gefäßverschluss zur Folge haben können.
Durch die Schädigung der oberflächlichen und tieferen Anteile des Auges finden auch Veränderungen an Iris und Linse statt. Es finden Verfärbungen der Iris und eine anhaltende Linsentrübung statt.
Zudem finden sich Nekrosen (Bereiche mit abgestorbenen Zellen) im Bereich der Bindehaut.
Die Verletzung bzw. die Entzündung kann eine Beteiligung der Vorderkammer des Auges mit einschließen. Dabei bildet sich ein Exsudat (Flüssigkeit mit Entzündungszellen, Eiter).
Je nachdem, wie ätzend die Substanz war, kann es zu gar keinen Schäden über leichte bis starke Veränderungen bis hin zu schwersten Folgen bis hin zur Erblindung kommen.
Generell sind Laugenverätzungen deutlich schwerer als Säureverätzungen, da sie weiter in die Tiefe des Auges vordringen können.
Bei leichten Verätzungen entstehen keine oder nur leichte, oberflächliche Hornhautschäden. Die Durchblutung der Bindehaut ist dann intakt, und Folgeschäden sind so nicht zu erwarten.
Mittelschwere bis schwere Verätzungen können jedoch zu großer Hornhautabschürfung führen. Auch kann die Hornhaut (eventuell auch dauerhaft) getrübt sein. Eine Minderdurchblutung von Anteilen der Bindehaut ist möglich. Manchmal klebt auch die Bindehaut von Augapfel und Augenlid zusammen (Symblepharon).
Zum vollständigen Verlust der Hornhautoberfläche und der Bindehaut am Hornhautrand führt eine äußerst schwere Verätzung. Eine Durchblutung findet nicht mehr statt und die Hornhaut ist vollständig getrübt. Es bilden sich Bindehautverklebungen (Symblepharon) und vor allem bei Laugenverätzungen kommt es ebenfalls zu Schäden im Augeninneren (Linse, Regenbogenhaut, Augendruckerhöhung).
Eine Erblindung ist möglich.
Wenn die Erste-Hilfe-Maßnahmen durchgeführt und ein Arzt aufgesucht wurde, kann weiterführend behandelt werden.
Die Nutzung von Antibiotika ist wichtig zur Verhinderung von weiterführenden Infektionen am verletzen Auge. Die genaue Untersuchung des Auges durch den Arzt ist relevant, um das Stadium der Verätzung einzuschätzen.
Sollte ein höheres Stadium vorliegen, also eine tiefere Verletzung mit nekrotischen Arealen, muss oft chirurgisch behandelt werden. Es muss also eine operative Entfernung des zerstörten Gewebes durchgeführt werden.
Dies kann in Lokalanästhesie, aber auch in Vollnarkose erfolgen.
Bei größeren Schäden kann eine Transplantation am Auge durchgeführt werden. Das bedeutet, dass die Hornhaut bzw. die Bindehaut durch anderes Gewebe wiederhergestellt wird.
Ein schon länger angewandtes Prinzip ist die Amnionmembrantransplantation. Dabei wird Plazentagewebe (Gebärmutterschleimhautzellen, die sich sehr gut teilen) auf die Stellen, an denen die Nekrosen entfernt wurden, aufgebracht.
Die Idee dahinter ist, dass sich neues Epithel (oberflächliche Schutzzellschicht) besser ausbildet und die Entzündung und der Schmerz reduziert werden.
Eine neuere Methode ist die Tenonplastik, bei der funktionales Bindegewebe (Zwischen- und Stützgewebe) aus dem Auge auf die Augenoberfläche gelegt und in der Tiefe des Auges befestigt wird.
Dabei konnte beobachtet werden, dass es seltener zu weiterführenden Nekrosen im Bereich des vorderen Augapfels kam (Bulbus oculi).
Eine vollständige Neubildung von Hornhautepithel erfolgt jedoch selten, weshalb die Nutzung einer Spender- oder künstlichen Hornhaut von Nöten ist.
Die Nutzung eines Hornhauttransplantats ist generell dann relevant, wenn durch die Verätzung eine irreversible Trübung der Hornhaut stattgefunden hat.
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Die Prognose ist abhängig von der Stärke der Verätzung. Je leichter die Verätzung, je weniger Strukturen in der Tiefe betroffen sind und je weniger die Hornhaut und Bindehaut verletzt sind, desto besser ist die Prognose für eine vollständige Ausheilung.
Wichtig ist, dass in jedem Fall eine Augenspülung stattfindet. Erfolgt diese rechtzeitig und ausreichend, kann die Prognose für den weiteren Verlauf besser ausfallen.
Grundsätzlich gelten die Stadien I und II als prognostisch gut. Sie benötigen selten weitere invasive Techniken und heilen oft in kürzerer Zeit ab. Dabei sollte auf jeden Fall eine ärztliche Kontrolle stattfinden, da sich die Schäden auch verschlimmern könnten.
Verätzungen der Stadien III und IV haben bei weitreichenden Verletzungen von tieferen Strukturen des Auges eine schlechtere Prognose. Teile der Horn- und Bindehaut und auch die Linse müssen gegebenenfalls entfernt und durch Transplantate ersetzt werden.
Durch verschiedene Transplantationen kann eine teilweise oder auch vollständige Erhaltung der Sehkraft erreicht werden, wenn auch unter Einschränkungen der Sehstärke.
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