Bradykinin

Bradykinin gehört zu den Kininen und ist ein Gewebshormon, das eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Entzündung spielt.

Bradykinin

Was ist Bradykinin?

Bradykinin ist ein Hormon, das heißt, es trägt zur Kommunikation von Zellen untereinander bei. Es hat eine ähnliche Wirkung wie Histamin. Im Gegensatz zu Steroidhormonen wie bspw. Cortisol ist es aus  aneinandergereihten Aminosäuren aufgebaut, in diesem Fall sind es 9 verschiedene Aminosäuren. Die biologische Halbwertszeit beträgt gerade 15 Sekunden. Bradykinin zählt zu den Kininen, welche Gewebshormone sind, also nicht systemisch im ganzen Körper, sondern lokal wirken. Vor allem im Entzündungsvorgang spielt Bradykinin eine wichtige Rolle, indem es die naheliegenden Arterien und Venen weitet, damit weiße Blutkörperchen zur Abwehr von Erregern in das entzündete Gebiet vordringen können. Außerdem erhöht Bradykinin das Schmerzempfinden im entzündeten Bereich.

Aufgabe, Funktion und Wirkung von Bradykinin

Die Hauptaufgabe von Bradykinin ist es, in einem verletzten Gebiet zur Entstehung einer Entzündung beizutragen. Diese ist notwendig, um  eine schnelle Heilung zu ermöglichen und eventuell eintretende Erreger bestmöglich zu bekämpfen. Im Fall einer Verletzung wird von naheliegenden Blutgefäßen ein spezieller Hormonrezeptor (B2-Rezeptor) in die Zellwände eingebaut, an welche das Bradykinin spezifisch bindet. Diese Bindung führt zu einer Entspannung der Gefäßmuskulatur und damit zu einer Erweiterung. Dadurch sinkt der lokale Blutdruck, gleichzeitig kommt es jedoch zu einer vermehrten Durchblutung, welche sich in einer Rötung und einer erhöhten Temperatur bemerkbar macht. Außerdem erhöht sich die Durchlässigkeit der Gefäßwand, wodurch weiße Blutkörperchen zur Abwehr von Eindringlingen in das verletzte Areal gelangen. Auf diese Blutkörperchen hat es zusätzlich eine mobilitätssteigernde Wirkung, damit sie sich besser durch das Bindegewebe fortbewegen können. Außerdem entweicht Flüssigkeit aus dem Gefäß in das Gewebe, wodurch die Schwellung einer Entzündung zustande kommt. Zusätzlich bindet Bradykinin an einen anderen Hormon-Rezeptor (B1-Rezeptor), welcher von verletztem Gewebe gebildet wird und erhöht dabei lokal das Schmerzempfinden. Aus diesem Grund sind entzündete Hautgebiete besonders schmerzempfindlich oder schmerzen sogar ohne Reizung.

Neben diesen leicht festzustellenden Effekten hat Bradykinin noch einige andere Auswirkungen. So bewirkt es bspw. eine Verengung der Bronchien durch Anregen der bronchialen Muskulatur. Geschieht dies übermäßig, kann es zu trockenem Husten  kommen.

Außerdem führt Bradykinin zu einem Zusammenziehen der glatten Muskulatur im Magen-Darm-Trakt und im Uterus. In der Niere bewirkt Bradykinin eine vermehrte Diurese (Urinproduktion) unter Verlust von Natrium. Auch in der Blutgerinnung spielt Bradykinin eine Rolle: Es wird durch den Faktor XII aus der Gerinnungskaskade aktiviert und trägt zur Freisetzung des Gewebsplasminogenaktivators bei, wodurch das Enzym Plasmin aktiviert wird. Dieses sorgt dafür, dass ein Thrombus nach Erfüllung seiner Funktion wieder abgebaut wird.

Durch seine blutgefäßerweiternde Wirkung spielt es, im Schweiß ausgeschieden, außerdem eine Rolle bei der Temperaturregulation: Durch ein geweitetes Gefäß wird mehr Wärme an die Außenwelt abgegeben als durch ein eng gestelltes.

Auch bei allergischen Reaktionen spielt Bradykinin eine Rolle, indem eigentlich harmlose Fremdstoffe als gefährlich wahrgenommen werden und z. B. die Engstellung von Bronchien oder eine Schwellung der Haut verursachen.

Abgebaut wird Bradykinin durch verschiedene im Blut enthaltene Enzyme.

Was ist der Bradykinin Antagonist?

Seit kurzem steht zur Behandlung von hereditären Angioödemen Icatibant als Bradykinin-Antagonist (Gegenspieler) zur Verfügung. Dieser künstlich hergestellte Wirkstoff kann bei einem akuten Anfall in aufgelöster Form mithilfe einer Spritze unter die Haut injiziert werden und führt nach 1-2 Stunden zu einer Verbesserung der Beschwerden. Auf molekularer Ebene bindet der Antagonist an den in Gefäßen sitzenden B2-Rezeptor und blockiert ihn, wodurch eine Bindung von Bradykinin und eine Aktivierung des Rezeptors verhindert wird. Dieses Prinzip wird kompetitive Hemmung genannt. Dadurch wird eine Gefäßerweiterung und eine Erhöhung der Durchlässigkeit der Gefäßwand verhindert und es kommt nicht zum Ausstrom von Flüssigkeit. Als Folge bleibt eine ansonsten auftretende Schwellung des betroffenen Gebiets aus.

Der selbe Mechanismus könnte Icatibant zu einem wirksamen Medikament gegen die häufig bei schwerer Leberschädigung auftretende Bauchwassersucht (Aszites) machen. Bei dieser Krankheit tritt infolge der verminderten Leberleistung und dem damit verbundenen abfallenden onkotischen Druck in den Blutgefäßen vermehrt Wasser in den Bauchraum aus, was möglicherweise durch Icatibant verhindert werden könnte.

Auch bei einigen weiteren Erkrankungen kann Icatibant zum Einsatz kommen, vor allem als Entzündungshemmer bei chronisch entzündlichen Erkrankungen oder Gefäßerkrankungen.

Welche Rolle spielt Bradykinin beim Angioödem?

Als Angioödem wird eine vorübergehende schmerzlose Schwellung der Haut und des Unterhautfettgewebes bezeichnet. Sie kann am ganzen Körper auftreten und bleibt in den meisten Fällen beschwerdefrei. Problematisch können Angioödeme im Darmbereich werden, da diese unter Umständen starke Schmerzen verursachen und die Verdauung einschränken können. Besonders gefährlich sind Angioödeme im Bereich der Atemwege, da sie diese blockieren können. In diesem Fall ist mitunter notfallmedizinische Hilfe nötig. Die Entstehung von Angioödemen kann sehr unterschiedliche Ursachen haben, von allergischen Reaktionen bis zu Medikamentenunverträglichkeit.

Für weitere Informationen empfehlen wir Ihnen unsere Seite zu: Angioödem

Eine besondere Form des Angioödems ist das hereditäre Angioödem (HAE), bei dem ein angeborener Mangel an C1-Esterase-Inhibitor vorliegt. Dadurch kann das Hormon Bradykinin nicht mehr so gut abgebaut werden. Infolgedessen kommt es durch Bradykinineinfluss zu vermehrtem Flüssigkeitsausstrom aus Gefäßen und damit steigt das Risiko für ein Angioödem. Patienten mit HAE haben eine Chance von 50%, mindestens einmal in ihrem Leben ein gefährliches Angioödem zu entwickeln. Zur Behandlung der HAE steht ein Bradykinin-Antagonist in Spritzenform zur Verfügung.

Lesen Sie doch auch unsere Seite zu: Hereditäres Angioödem

Reizhusten

Bei der Einnahme von ACE-Hemmern (Medikamente, die vor allem bei Bluthochdruck eingesetzt werden) kann es zu trockenem Reizhusten kommen. Der Grund hierfür ist, dass das Hormon Bradykinin unter anderem durch ACE (Angiotensin Converting Enzyme) abgebaut wird und deshalb bei Hemmung dieses Enzyms vermehrt und länger im Körper vorhanden ist. An den Bronchien bewirkt Bradykinin ein Zusammenziehen der glatten Muskulatur und damit eine Verengung der Luftwege, was in einigen Fällen zu unangenehmem, trockenem Husten führen kann. Dies kann dazu führen, dass die Therapie mit ACE-Hemmern abgesetzt werden muss.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: Reizhusten oder Nebenwirkungen von ACE-Hemmern

Was hat Bradykinin mit Kallikrein zu tun?

Viele Kinine liegen im Blut zunächst in ihrer (teilweise) inaktiven Vorstufe vor und müssen durch das Enzym Kallikrein aktiviert werden, um ihre Wirkung entfalten zu können. So muss auch vom Bradykininogen (inaktive Vorstufe) zuerst durch Kallikrein eine Aminosäure abgespalten werden. Dabei handelt es sich um ein Serin, was Kallikrein zu einer Serinprotease (SERP) macht. Dieser Prozess spielt bei Entzündungsvorgängen und der Gerinnungsaktivierung eine wichtige Rolle.

Erfahren Sie mehr über die WIrkweise des Enzyms Kallikrein.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 02.11.2018 - Letzte Änderung: 25.07.2023