Anästhesie: Was ist das?

Die Anästhesie befasst sich nicht nur mit der Narkose im OP, sondern die Anästhesie deckt auch die Schmerztherapie, Notfallmedizin und Intensivmedizin ab.

Anästhesie: Was ist das?

Unter dem Begriff Anästhesie kann sich der medizinische Laie häufig wenig vorstellen. In unserem folgenden Thema soll der Begriff der Anästhesie ein wenig näher gebracht werden.

Synonyme im weiteren Sinne

Englisch: anaesthesia

Begriffsabgrenzung

Der Facharzt für Anästhesiologie wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Anästhesist oder Narkosearzt bezeichnet. Dies suggeriert, die Anästhesiologie würde sich auf die Narkose (Anästhesie) beschränken. Die Anästhesie, also die Narkose, ist jedoch nur ein Teilgebiet der Anästhesiologie. Zu ihr gehören weiterhin: Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin

Ausbildung

Die Ausbildung zum Facharzt für „Anästhesie und Intensivmedizin“ setzt ein abgeschlossenes Medizinstudium voraus und beinhaltet eine fünfjährige Weiterbildung in den Bereichen Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie.

Im Bereich der Anästhesie gibt es verschiedene Möglichkeiten der beruflichen Tätigkeit.
Neben den Narkoseärzten bedarf es zum reibungslosen Ablauf einer jeden Operation auch einer/n sogenannten anästhesietechnische/n Assistenten/in, kurz ATA. Diesen Beruf kann man durch eine entsprechende Ausbildung erlernen, welche in der Regel über drei Jahre geht.
Um eine Ausbildung beginnen zu können benötigt man als Schulabschluss mindestens die mittlere Reife. Außerdem kann es hilfreich sein ein Praktikum in der Anästhesie zu absolvieren bevor man sich für eine Ausbildung zum anästhesietechnischen Assistenten bewirbt. Dabei kann man erste Eindrücke zu dem Berufsbild sammeln, sich mit Kollegen austauschen und dann schauen, ob man diese Ausbildung für sich selbst als geeignet empfindet.

Die Ausbildung ist schulisch geprägt, das heißt es finden viele Einheiten theoretischen Unterrichts in einer Bildungseinrichtung statt. Daneben wird aber auch ein praktischer Unterricht in einer klinischen Einrichtung gewährleistet, wo man sein erworbenes Wissen anzuwenden lernt und von fertigen anästhesietechnischen Assistenten betreut wird.
Neben zahlreichen Zwischenprüfungen stehen am Ende der Ausbildung eine theoretische sowie eine praktische Abschlussprüfung.
Das Aufgabenspektrum von anästhesietechnischen Assistentinnen und Assistenten umfasst die Versorgung und Betreuung von Patienten vor und/oder nach deren operativen Eingriff. Dies beinhaltete unter anderem das Anlegen von Pulsoximeter, Blutdruckmanschette und EKG-Elektroden, welche Parameter des Patienten liefern, die während einer OP beobachtet werden müssen.
Daneben gehört es zu deren Aufgaben alle für die anstehende OP nötigen Narkose- und Schmerzmittel individuell auszusuchen und vorzubereiten, sowie für deren Nachschub zu sorgen.
Ebenso wird bei der Intubation geholfen, indem das Material bereitgestellt und dem Narkosearzt angereicht wird. Auch das Sterilisieren von benutzten Instrumenten, wie zum Beispiel eines Spatels zur Intubation, wird von anästhesietechnischen Assistenten übernommen.
So kann dieser Beruf neben dem typischen OP mit Ein- und Ausschleuse des Patienten in beziehungsweise aus dem OP, auch im Aufwachraum, im Sterilisationsraum auch in einer Praxis mit ambulanten Eingriffen ausgeübt werden.

Da im klinischen Betrieb ein Schichtsystem über die Arbeitszeiten bestimmt, wird von den Auszubildenden ein hohes Maß an Flexibilität gefordert, sowohl was die Arbeitszeiten, als auch die Zusammenarbeit mit wechselnden Kollegen und Operationsanforderungen betrifft.

Geschichte der Anästhesie

Im ersten Buch Mose (2,21) heißt es:
„Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm seiner Rippen eine und schloss die Stätte zu mit Fleisch“.
Genau genommen, ist hier bereits in der Bibel die erste Durchführung einer Narkose beschrieben. Die erste von einem Menschen durchgeführt Narkose kam jedoch erst knapp 2000 Jahre später: Seitdem 1800 Humphrey Davy die schmerzlindernde Eigenschaften des Lachgases erkannt hatte, versuchte die Medizin, sich diese Eigenschaften in der Praxis zu Nutze zu machen. Eine erste öffentliche Vorführung einer Narkose mittels Lachgas im Jahr 1845 schlug jedoch fehl. Horace Wells, ein Zahnarzt aus Hartford, wollte damals den anästhesierenden Effekt des Lachgases demonstrieren, der Patient schrie jedoch bei dem Versuch, ihm einen Zahn zu ziehen, laut auf. Es war William Thomas Green Morton, ein Zahnarzt aus Charlton, Massachusetts, der ein Jahr später (16.10.1846) die erste erfolgreiche Narkose durchführte. Der Patient litt an einem Geschwür am Hals, welches entfernt werden sollte. Anders als Wells benutzte Morton Äther zur Narkose. Die eigens hierfür von ihm angefertigte Ätherkugel diente dazu, dem Patienten das Inhalieren des flüchtigen Gases zu ermöglichen. Dieser Tag ist als „Ether Day“ in die Medizingeschichte eingegangen.

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Die Anästhesie hatte auf ihrem erfolgreichen Weg hin zur heutigen professionellen Narkose sich oftmals gegenüber Widersachern zu behaupten. Lange Zeit war man sich über die Bedeutung des Schmerzes nicht im Klaren und glaubte, es wäre für die Genesung des Patienten nachteilig, den Schmerz zu unterdrücken. Der Schmerz gehöre nun mal zum Leben dazu.
Die heute gebräuchlichen Narkosemittel sind größtenteils nicht älter als 20 Jahre – mit Ausnahme des Lachgases selbst.

Die Vollnarkose

Unter einer Vollnarkose (= Allgemeinanäshtesie) versteht man die reversible Ausschaltung des Bewusstseins, also ein künstlicher Schlaf. Dieser Schlafzustand kann z.B. genutzt werden, um eine Operation durchzuführen. Der Bewussteinsverlust wird entweder durch Medikamente, die über einen Venenkatheter direkt in den Blutkreislauf gespritzt werden (sog. TIVA = Totale intravenöse Anästhesie) oder über eine Maske über Mund und Nase in Form von Gasen (sog. Inhalationsanästhesie) erreicht. Häufig werden in der Praxis beide Formen kombiniert: Der Vorgang des Einschlafens wird durch Injektionsnarkotika (z.B. Propofol) herbeigeführt, während die Aufrechterhaltung des Schlafzustandes durch Gase (z.B. Sevofluran, Desfluran) sichergestellt wird. Eine solche Kombination wird als „balancierte Anästhesie“ bezeichnet.
Der Zustand der tiefen Bewusstlosigkeit geht mit einem Ausfall der Reflexe einher – darunter auch der Atemreflex. Daher muß der Patient während einer Vollnarkose künstlich beatmet werden.
Die Allgemeinanästhesie wird stets durch die Gabe von starken Schmerzmitteln (Opioide) begleitet und oftmals um Medikamente erweitert, die die Spannung der Muskeln aufheben (Muskelrelaxantien). Die Allgemeinanästhesie kann bei vielen operativen Eingriffen um eine Regionalanästhesie (z.B. Spinalanästhesie , Periduralanästhesie) ergänzt werden (Näheres weiter unten bei „Schmerztherapie“)
Vollnarkosen finden auch in der Intensivmedizin Anwendung, um den Patienten über einen längeren Zeitraum (in schwerwiegenden Fällen auch über mehrere Monate) im künstlichen Koma zu halten.
Vollnarkosen bergen immer das Risiko einiger Nebenwirkungen.

Mehr Informationen erhalten Sie unter unserem Thema: Vollnarkose

Schmerztherapie

Die Schmerztherapie als Teilgebiet der Anästhesiologie lässt sich in drei Gebiete unterteilen:

  1. Präventive Schmerzmittelgabe, die einen zuvor absehbaren Schmerz (z.B. bei Operationen) erst gar nicht aufkommen lässt
  2. Kurzfristige Behandlung von akuten Schmerzzuständen, wie sie z.B. in den Tagen nach einer Operation im Wundgebiet auftreten können
  3. Therapie von langfristigen Schmerzzuständen, wie sie als chronische Schmerzen z.B. bei Tumorleiden, chronischen Rücken- oder Kopfschmerzen auftreten.

Zur Therapie dieser Schmerzen steht eine breite Auswahl von Medikamenten zur Verfügung, die sich in ihrer Wirkstärke und in der Form, wie sie dem Körper zugeführt werden, unterscheiden. Orale Schmerzmittel (zu schluckende Medikamente) stehen in Form von Tropfen und Tabletten zur Verfügung und kommen sowohl bei leichten Schmerzen (z.B. Paracetamol) als auch schwersten Schmerzzuständen (z.B. Opioide) zum Einsatz. Schmerzmittel lassen sich auch über einen Venenkatheter direkt in den Blutkreislauf einbringen (sog. intravenöse Applikation). Der Wirkeintritt ist hierbei deutlich schneller als bei der oralen Aufnahme; die zur Verfügung stehenden Medikamente sind der oralen Medikation jedoch sehr ähnlich; auch hier kommen häufig Opioide bei schweren Schmerzzuständen zum Einsatz. Da die direkte Gabe des Medikaments in die Blutbahn jedoch die Gefahr einer Überdosierung mit sich bringt, wird diese Form der Schmerztherapie kaum im häuslichen Umfeld eingesetzt.
Soll in einer bestimmten Körperregion Schmerzfreiheit erzielt werden, so bietet sich der Einsatz von Regionalanästhesieverfahren an. Hierbei wird ein dünner Plastikschlauch in die Nähe eines Nervs platziert. Das Umspülen des Nervs mit einem Schmerzmittel (hier: Lokalanästhetikum) führt zum Ausschalten der Schmerzempfindung aller Körperregionen, die über diesen Nerven mit dem Gehirn in Verbindung stehen. Dies macht man sich z.B. bei Nerven im Bereich der Achselhöhle zu Nutze, um Operationen am Arm durchzuführen oder in der Leiste, um im Bereich des Beins operieren zu können. Darüber hinaus kann das Lokalanästhetikum in die Nähe des Rückenmarks gespritzt werden. Die Schmerzfreiheit dehnt sich dann auf die gesamte Körperregion unterhalb der Einstichstelle aus. Regionalanästhesieverfahren werden häufig bei einer Operation verwandt, da hierbei kreislaufbelastende Schmerz- und Narkosemittel in geringerer Dosis erforderlich sind. Auch kann der Plastikschlauch mit einer Pumpe (sog. Schmerzpumpe) verbunden werden, um so über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Lokalanästhetikum zuzuführen. So kann sogar bis zu mehreren Wochen eine Schmerzfreiheit erzielt werden – in der Praxis kommt die Schmerzpumpe meist nicht länger als einige Tage im Rahmen einer Akutschmerztherapie zum Einsatz. Dies ist unter anderem durch die Infektionsgefahr an der Einstichstelle begründet.
Als weitere Möglichkeit der Schmerzlinderung sei die Medikamentengabe über die Haut erwähnt (sog. TTS = Transdermales therapeutisches System). Ein auf die Haut geklebtes Pflaster gibt kontinuierlich Schmerzmittel Opioide) durch die Haut an den Körper ab.

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Hinweis: Schmerzpflaster

Die Region, in der das Pflaster aufgeklebt wird (häufig im Bereich des Rückens), muß dabei nicht dem Ort der Schmerzentstehung entsprechen.

 

Auch dieses Verfahren kann in der Langzeit-Schmerztherapie angewendet werden.
Sämtliche hier vorgestellten Formen der Schmerztherapie lassen sich auch miteinander kombinieren.

Notfallmedizin

Die Notfallmedizin stellt sich zwar als Bereich der Anästhesiologie da, häufig ist jedoch ein interdisziplinäres Vorgehen unter Beteiligung von Fachkräften verschiedener medizinischer Gebiete notwendig. Häufig absolvieren Internisten oder Chirurgen die Weiterbildung „Notfallmedizin“. Die Notfallmedizin erstreckt sich sowohl auf den Bereich außerhalb medizinischer Einrichtungen (Rettungsmedizin) als auch auf die notfallmäßige Versorgung innerhalb eines Krankenhauses. Aufgabe der Notfallmedizin ist die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von akut bedrohten Vitalfunktionen. Zu den Vitalfunktionen zählen alle Organsysteme, die zum Überleben von Bedeutung sind: Herz, Blutkreislauf, Lunge, Gehirn. Um eine ausreichende Herzfunktion und einen intakten Blutkreislauf wiederherzustellen, stehen Notfallmedikamente zur Verfügung, die die Kraft des Herzens stärken und es rhythmisch schlagen lassen. Auch die Anwendung von Stromstößen (sog. Defibrillation) hat die Rhythmisierung des Herzschlages zum Ziel. Um bei einem Herzstillstand den Herzschlag zu ersetzen, kann eine Herzdruckmassage durchgeführt, häufig kombiniert mit einer künstlichen Beatmung des Patienten, da Herzkreislaufsystem und Lungenfunktion eng zusammen hängen.
Für Funktionseinschränkungen im Bereich des Blutkreislaufes sind in der Notfallmedizin häufig Blutverluste verantwortlich. Ziel der Therapie ist eine rasche Unterbindung der Blutungsquelle und falls nötig ein Ausgleich des Blutverlustes mittels Flüssigkeit oder Blutspende. Drohenden Funktionseinschränkungen des Gehirns, z.B. durch eine vermehrte Wasseransammlung im Kopf nach Unfällen, können ebenfalls durch Medikamentengabe therapiert werden.

Intensivmedizin

Intensivmedizin wird in der Regel in einem Krankenhaus auf einer Intensivstation getätigt. Während des Aufenthaltes auf einer Intensivstation sollen lebensbedrohliche Zustände diagnostiziert und therapiert werden. Diese hochspezialisierten Stationen sind in den meisten Häusern zusätzlich nach Fachdisziplinen unterteilt (z.B. Neurointensivstationen für neurologische Erkrankungen, Kardiointensivstationen für akut lebensbedrohliche Erkrankungen des Herzens).

Intensivstationen weisen eine besonders aufwendige apparative Ausstattung und ein hohes Verhältnis von Fachpersonal zu Patienten auf. Das hier tätige ärztliche Personal hat häufig eine entsprechende Fachweiterbildung absolviert, Mitarbeiter des Pflegepersonals verfügen ebenfalls meist über eine Fachpflegeweiterbildung. Wesentlicher Gesichtspunkt der Intensivmedizin ist eine detaillierte kontinuierliche Überwachung sämtliche Vitalfunktionen, wie Herzschlag, Herzfrequenz, Blutkreislauf, Sauerstoffgehalt im Blut, Bewusstsein, etc. Weitere Grundpfeiler der Intensivmedizin sind das künstliche Koma, künstliche Beatmung des Patienten mittels Beatmungsgeräten, Schmerztherapie und Aufrechterhaltung und Stabilisierung aller Vitalfuntionen.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema Anästhesie finden sie unter:

Eine Übersicht der bisher erschienenen Beiträge zum Thema Anästhesie finden Sie unter: Anästhesie A-Z

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 20.12.2010 - Letzte Änderung: 21.06.2024