Aggregatibacter actinomycetemcomitans

Aggregatibacter actinomycetemcomitans ist ein Bakterium der Mundhöhle. Neben vielen anderen Bakterienarten baut es Kohlenhydrate zur sogenannten Milchsäure ab. Dieser Vorgang kann zu Zahnfleischentzündungen und Parodontitis, einer Entzündung des Zahnhalteapparates führen.

Aggregatibacter actinomycetemcomitans

veraltet: Actinomyces actinomycetemcomitans

Einleitung

Unsere Mundhöhle ist ein Ansammlungsort vieler verschiedener Bakterien und Keime. Trotz der täglichen Zahnpflege und Benutzung von Mundspülungen, tummeln sich im Mundraum ca. 500 verschiedene Bakterienarten. Die mit bekanntesten sind die Streptokokken, die Kohlenhydrate aus der Nahrung in Milchsäure umwandeln, die unsere Zähne angreift. Dies alles ist eher unter dem Begriff „Karies“ bekannt.

Auch wenn dies mit die häufigste Ursache für Zahnerkrankungen ist, gibt es unter anderem noch eine weitere Bakterienart, die in der Mundhöhle vorkommen kann, nämlich Aggregatibacter actinomycetemcomitans. Dieses Bakterium gilt mit als Auslöser von Zahnfleischentzündung (Gingivitis) und der Parodontitis, einer Entzündung des Zahnhalteapparates.

Klassifizierung

Um die genauere Bedeutung von Aggregatibacter actinomycetemcomitans einschätzen zu können, ist es notwendig, es näher zu klassifizieren. Es handelt sich um ein gramnegatives (Färben sich in der Gram-Färbung rot; besitzen eine dünne Peptidoglykanschicht aus Murein und eine äußere Zellmembran) und nicht bewegliches Bakterium.

Es kommt in der Mundflora vor und verarbeitet die durch den Menschen aufgenommen Nahrungsbestandteile. Unter Mundflora versteht man alle in der Mundhöhle angesiedelten Mikroorganismen. Es kann Maltose, Fructose, Glucose, Mannose, Kohlenhydrate, Xylose und Mannitol verstoffwechseln.

Des Weiteren zählt zu seinen Spezifikationen, dass es sowohl in sauerstoffreicher (aerob), als auch in sauerstoffarmer (anaerob) Umgebung wachsen kann. Es ist nicht auf Sauerstoff angewiesen. Dieses Bakterium ist in der Lage, die Reaktion von Wasserstoffperoxid zu Sauerstoff und Wasser zu beschleunigen. Ist die Mundflora pathologisch (krankhaft) verändert, kann ein einzelner Erreger, in diesem Fall Aggregatibacter actinomycetemcomitans, vermehrt vorliegen und somit eine Störung der physiologischen Mundflora hervorrufen. Bei diesem Bakterium führt dies zu Gingivitis und Parodontitis.

Übertragung

Aggregatibacter actinomycetemcomitans stammt nicht aus der eigenen Mundflora, sondern wird übertragen und stammt somit von „außen“. Es kann durch Küssen übertragen werden, aber auch durch das gemeinsame Benutzen von Besteck, Gläsern und Zahnbürsten.

Besonders eine Übertragung von den Eltern auf das Kind ist klinisch nachgewiesen. Die Hauptphase, in der die Eltern die Parodontitis auslösenden Keime auf das Kind übertragen können, liegt während des Durchbruchs der bleibenden Zähne vor. Dieses Risiko kann man aber minimieren, indem man getrennte Bestecke und Mundhygieneartikel verwendet, sowie den Schnuller oder den Löffel nicht selbst ableckt.

Auch der Lebenspartner kann durch Speichelaustausch, wie es beim Küssen vorkommt, Aggregatibacter actinomycetemcomitans übertragen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Parodontitis ausbrechen muss, da dafür noch andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen. So kann ein Mensch, der das Bakterium in seiner Mundflora trägt, aber selbst nie Probleme mit Parodontitis hatte, Aggregatibacter actinomycetemcomitan an einen anderen Menschen übertragen, bei dem sich daraufhin eine Entzündung des Zahnhalteapparates ausbildet.

Das Bakterium kann in das Gewebe eindringen, weshalb es sehr hartnäckig ist und trotz einer Behandlung wieder auftreten kann. Parodontitis ist also eine echte Infektionskrankheit.

Folgen

Ist das Bakterium Aggregatibacter actinomycetemcomitans in der Mundflora vorhanden, muss nicht zwangshäufig eine Zahnfleischentzündung (Gingivitis) oder Parodontitis auftreten. Die Bakterien sammeln sich in der Plaque (Zahnbelag) an den Zähnen an. Die Plaque besteht nicht nur aus Aggregatibacter actinomycetemcomitans, sondern aus vielen unterschiedlichen Erregern, die beginnen, die aus der Nahrung vorhandenen Produkte zu verstoffwechseln. Sind die Bedingungen günstig und die Mundflora zu Gunsten dieses Bakteriums verschoben, kann eine Gingivitis bzw. Parodontitis entstehen.

Die ersten Anzeichen sind eine Rötung des Zahnfleischsaumes und Zahnfleischbluten nach dem Zähneputzen. Auch kann das Zähneputzen schmerzen und dunkle Verfärbungen an den Zahnfleischrändern auftreten. In diesem Stadium spricht man bereits von einer Gingivitis.

Wird diese nicht behandelt, können sich die Bakterien weiter vorarbeiten. Es entstehen Zahnfleischtaschen, in denen sich sämtliche Bakterien ansammeln. Aggregatibacter actinomycetemcomitans beginnt nun, den Zahnhalteapparat anzugreifen. Dieser besteht aus dem Zahnfleisch, dem Alveolarknochen, dem Desmodont und dem Wurzelzement. Der Zahnhalteapparat befestigt den Zahn in seinem Zahnfach und gibt ihm Halt und Stabilität. Werden diese Strukturen angegriffen, ziehen sich die stabilisierenden Strukturen zurück und der Zahn verliert an Halt, was letztendlich zum Verlust des Zahnes führen kann. Die genannten Vorgänge beschränken sich nicht nur auf einen Zahn, sondern können im ganzen Mundraum an verschiedenen Stellen auftreten.

Therapie

Die Behandlung einer Gingivitis bzw. Parodontitis ist von Patient zu Patient unterschiedlich und hängt vom Ausmaß der Erkrankung ab.

Die Behandlung beginnt mit der Entfernung der Zahnbeläge und deren Ausscheidungen. Dadurch werden alle Bakterien entfernt, auch Aggregatibacter actinomycetemcomitans, um ein weiteres Fortschreiten der Bakterien zu verhindern.

Befindet sich die Parodontitis noch im Anfangsstadium, kann dies auch zuhause, mit dem gründlichen, täglichen Zähneputzen erledigt werden. In den meisten Fällen erfolgt jedoch eine professionelle Zahnreinigung beim Zahnarzt. Auch vorhandene Zahntaschen werden entfernt, da diese als Sammelbecken viele Erreger enthalten. Um auch die letzten Rest des Bakteriums zu beseitigen, wird eine Mundspülung, meist auf Chlorhexidinbasis, eingesetzt.

Ist diese Behandlung erfolgreich abgeschlossen, werden die geschädigten Zähne oder auch die abgebaute Knochensubstanz behandelt, um die beste Versorgung für das Gebiss zu gewährleisten. Besonders wenn Knochensubstanz in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist eine komplette Wiederherstellung der Ausgangssituation meist jedoch nicht möglich.

Unterstützend kann bei einer Parodontitis-Therapie ein Antibiotikum angewandt werden. Möchte man gegen Aggregatibacter actinomycetemcomitans vorgehen, reicht meist das Entfernen der Plaque, auch unter der Gingiva (SRP, auch deep scalling oder Kürettage gennant), aufgrund der Gewebeinvasivität nicht aus, sodass Amoxicillin als Breitbandantibiotikum ergänzend verabreicht wird. Die Gabe von Metronidazol, Clindamycin, Tetracyclin ist nicht möglich, da Aggregatibacter actinomycetemcomitans dagegen resistent ist.

Prophylaxe

Auch wenn der Erreger bereits in der Mundflora vorhanden ist, muss nicht zwangsläufig eine Erkrankung auftreten. Wichtig ist jedoch, dass man seinen Mundraum pflegt, um das Risiko an einer Gingivitis bzw. Parodontitis zu erkranken, zu senken. Dazu gehört das tägliche Zähneputzen (mindestens 2x), um Zahnbeläge zu entfernen. Zahnseide, Mundspülungen und Zungenschaber können ergänzend eingesetzt werden.

Außerdem ist es wichtig, wenig zuckerhaltige Lebensmittel zu sich zu nehmen, um den Bakterien nicht zusätzlich Nährstoffe zukommen zu lassen. Regelmäßige Besuche beim Zahnarzt sind auch Teil der Vorsorgemaßnahme, da dieser mögliche Erkrankungen frühzeitig erkennen und behandeln kann. Auch kann bei diesen Besuchen auf mögliche Fehler in der Zahnpflege hingewiesen werden.

Zusammenfassung

So kompliziert sein Name auch klingen mag, Aggregatibacter actinomycetemcomitans, ist ein bedeutendes und nicht zu unterschätzendes Bakterium in der Zahnmedizin, was bei vielen Menschen große Probleme am Zahn und Zahnfleisch auslösen kann. Mit der richtigen Zahnpflege und regelmäßigen Kontrollen beim Zahnarzt kann man das Risiko an den Folgen des Bakteriums zu erkranken deutlich senken und somit eine Parodontitis verhindern.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 22.10.2015 - Letzte Änderung: 02.08.2022