Von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern spricht man dann, wenn sich das Verhalten des Kindes von dem allgemein üblichen Verhalten gleichaltriger Kinder unterscheidet. Zu den Verhaltensauffälligkeiten zählen eine Reihe von Störungen. Die Ursachen können je nach Alter und Lebensumständen des Kindes stark variieren.
Das Verhalten eines Kindes gilt dann als auffällig, wenn es sich erheblich von der Norm, also dem allgemein üblichen Verhalten gleichaltriger Kinder, unterscheidet. Unter diese Beschreibung fallen eine Vielzahl verschiedener Störungen, die sich mehr oder weniger auf das Leben des Kindes und seiner Umgebung auswirken können.
Diese haben nicht immer zwingend einen Krankheitswert bzw. sollten als Störung angesehen werden, sondern sind meist eine „normale“ Reaktion auf Erfahrungen und Einflüsse aus dem kindlichen Umfeld in Abhängigkeit von seinem emotionalen und psychischen Zustand.
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Im Kindergarten sind viele Kinder laut und ungestüm. Was für ein Kleinkind normales Verhalten ist, wäre beim Jugendlichen eine schwere Verhaltensstörung.
Auffällig ist ein Verhalten daher erst, wenn es sich von der Norm, also dem Durchschnitt der gleichaltrigen Kinder, unterscheidet. So etwas im Kindergarten festzustellen, ist meist schwerer als in der Schule und nur gering ausgeprägte Störungen können leicht übersehen werden.
Nach außen gerichtete Verhaltensweisen wie Aggressionen und Gewalt gegen andere Kinder und Erzieher, starke Zappeligkeit, die komplette Ablehnung von Regeln und Autorität usw. werden oft bereits im Kindergarten auffällig.
Andere Verhaltensauffälligkeiten wie zum Beispiel starke Schüchternheit und Ängstlichkeit sind schwieriger zu erkennen, da Kleinkinder im allgemeinen sehr zurückhaltend und ängstlich sein können. Die sogenannten internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten werden häufig nur dann entdeckt wenn sie sehr stark ausgeprägt sind oder bis ins Schulalter persistieren.
Laut Statistiken nimmt die Zahl an jungen verhaltensauffälligen Kindern vor der Einschulung zu und erfordert eine Schulung der Erzieher und Eltern, um eine Persistenz bis ins Schulalter und damit eine potenzielle Beeinträchtigung der Entwicklung zu vermeiden.
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An der Grundschule fallen viele Kinder mit Verhaltensstörungen das erste Mal auf bzw. entwickeln diese zum ersten Mal. Nicht selten zeigen sie dieses Verhalten auch nur in der Schule und benehmen sich zuhause deutlich unproblematischer. Typische Auffälligkeiten sind z.B. Zappeligkeit und Ablenkbarkeiten, Treten, Schlagen und Mobben von Mitschülern, das Verweigern von Aufgaben und ähnliches.
Weiterhin kann sich eine Verhaltensauffälligkeit auch in Rückgezogenheit und Schüchternheit, Trennungsängsten, anderen Angststörungen und ähnlichen Symptomen äußern. Eine wichtige Rolle in so einer Situation spielt daher der Lehrer, der das Verhalten erkennen und mit den richtigen Maßnahmen dagegen steuern muss. Leider geben viele Eltern daher auch Lehrern die Schuld, wenn ihr Kind erstmals auffällig wird, obwohl die ursächlichen Faktoren meist zuhause bzw. im unmittelbaren Umfeld und beim Kind selbst zu suchen sind. Daher ist die Zusammenarbeit von Lehrern und Eltern bei der Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten im Grundschulalter enorm wichtig.
Eine psychische Unausgeglichenheit zeigt sich beim Kind nicht nur im Sozialverhalten, das am leichtesten zu beobachten ist, sondern auch in anderen Lebensbereichen. Diese Symptome können bei Kindern, die durch besonders starke Ängstlichkeit oder Schüchternheit auffallen, beispielweise das Kauen der Fingernägel oder Ess- und Schlafprobleme sein.
Kinder, die im Alltag durch lautes und störendes Verhalten auffällig werden, können innerlich unsicher und unglücklich sein. Gerade bei diesen Kindern werden weniger offensichtlichen Probleme schnell übersehen.
Auch selbstverletzendes Verhalten und (erneutes) Einnässen kann bei verhaltensauffälligen Kindern vorkommen. Bei älteren Kindern äußert sich die psychische Belastung regelmäßig in einem geringen Selbstwertgefühl, Depressionen und ähnlichen psychologischen Problemen.
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Die Verhaltensauffälligkeiten werden in der Psychotherapie in verschiedene Kategorien eingeteilt. Zu dieser Einteilung zählen unter anderem:
Die hyperkinetische Störung zeichnet sich bei Kindern durch ein hohes Maß an Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität aus. In der Regel treten die Verhaltensauffälligkeiten, die zur Gruppe der Hyperkinetischen Störungen gezählt werden vor dem 7. Lebensjahr auf. Das von der Norm abweichende Verhalten der Kinder zeigt sich dabei sowohl im häußlichen Umfeld, als auch im Elementar- und Schulbereich. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 3-5 % Der Kinder von einer Hyperkinetischen Störung betroffen sind.
Störungen des Sozialverhaltens zeichnen sich durch eine Reihe an Verhaltensweisen aus, zu diesen zählen unter anderen: starke und sich wiederholende Wutausbrüche, ungehorsames Benehmen, Aggressivität gegenüber Menschen als auch Tieren, Zerstörung von Sachgegenständen, Lügen und Stehlen,Tyrannisieren von Mitmenschen und wiederkehrende Streitereien.
Eine Störung des Sozialverhalten zeigt sich im Allgemeinen in einem dissozialen und aggresiven Verhaltensmuster, dass das gewöhnliche Maß von kindlichen Unsinn und Neckereien extrem übersteigt.
Häufig treten Antisoziale Verhaltensauffälligkeiten in Kombination mit Hyperkinetischen Störungen, die sich vor allem durch Impulsivität, Aggresivität und Hyperaktivität auszeichnet, aus. Etwa 5 % aller Kinder zeigen eine Störung in ihrem Sozialverhalten.
Bei den emotionalen Störungen beziehungsweise Angststörungen zeigen die Kinder ein höheres Maß an Ängsten oder ängstlichen Empfinden als es ihr Entwicklungszustand vorsieht. Zu den emotionalen Störungen zählen unter anderem die extreme Trennungsangst als auch phobische sowie soziale Angst. Berechungen zufolge sollen etwa 11-19 % aller Kinder unter einer Angsstörung leiden.
Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter gibt es viele. Wenn diese zum ersten Mal beim Eintritt in die Schule oder bei vergleichbaren Lebensänderungen auftreten, steht die Überforderung mit der neuen Situation und dem Verlust bekannter Strukturen im Vordergrund. So fühlen sich beispielsweise viele Einzelkinder, die zuhause die volle Aufmerksamkeit ihre Eltern genießen konnten und wenig Kontakt zu Gleichaltrigen hatten, im Kindergarten mit den vielen anderen Kindern nicht wohl.
Auch beim Eintritt ins Schulalter kommen einige mit den steigenden Anforderungen, die an sie gestellt werden, nicht immer zurecht. Meistens sind diese Zustände vorrübergehend und die Kinder gewöhnen sich an die neue Situation, manchmal zeigt sich die Belastung und der Protest aber auch in störendem, aufmerksamkeitssuchenden und evtl. aggressiven Verhalten. Ursachen für die Überforderung können beispielsweise in der Erziehung liegen, wenn den Kindern klare Regeln und Strukturen fehlen, aber auch im Umfeld, dem Freundeskreis oder dem Kind selbst.
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Auch ohne Überforderung kann auffälliges Verhalten entstehen, wenn ein Kind beispielsweise unglücklich, gestresst oder anderweitig beeinflusst ist.
Große Schulklassen, überforderte Lehrer und Eltern, eine hohe Zahl verhaltensauffälliger Kinder und der Druck, schnell erwachsen zu werden, tragen weiter zu der erhöhten Inzidenz von Verhaltensauffällikeiten bei Kindern bei.
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Verhaltensauffälligkeiten sind, wie der Begriff vermuten lässt, auffällig. Lehrer und Erzieher oder die Eltern werden daher früher oder später darauf aufmerksam und suchen von sich aus beispielsweise den Kontakt zu einem (Schul-)Psychologen, wenn das Verhalten im schulischen oder sozialen Umfeld zum Problem wird. Dort wird dann basierend auf den Berichten der Eltern bzw. Lehrer und dem beobachteten Verhalten am Kind die Diagnose gestellt, wobei eine ausführliche Untersuchung erforderlich ist, um psychische Störungen als Auslöser für die Auffälligkeiten auszuschließen.
Die Diagnose wird vom einem Psychologen, Psychiater oder Psychotherapeuten, die auf Kinder spezialisiert sind, gestellt. Zwar sind Lehrer und Erzieher meist die ersten, die eine Verhaltensstörung bemerken, und viele Eltern nutzen bereits vor der Diagnostik diverse Online-Tests und Fragebögen, die endgültige Diagnose kann aber nur von einer entsprechenden Fachkraft gestellt werden.
Das Prinzip des „beobachten und verstehen“ verhaltensauffälliger Kinder wird hauptsächlich von Lehrern angewandt, besonders an Schulen, die viele „Problemkinder“ unterrichten. Dabei wird im ersten Schritt das Verhalten des Kindes ausführlich beobachtet und beschrieben, da das Spektrum an Verhaltensstörungen enorm und somit eine weitere Differenzierung des gezeigten Verhaltens möglich ist. Im zweiten Schritt wird versucht, sich in das Kind hineinzuversetzen und zu verstehen, welche Gründe es zu diesem Verhalten treiben.
Dieses Verfahren soll die Ursache des Problemverhaltens beleuchten und dem Pädagogen helfen, die individuelle Strategie zur Behebung dieses Problems zu finden. Der Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern ist meist anstrengend, frustrierend und ermüdend, da deren Hintergründe nicht immer ersichtlich sind. Das Verfahren hilft, auf den einzelnen Schüler eingehen zu können und einen Ansatzpunkt für den richtigen Umgang mit ihm zu finden.
Auffälliges Verhalten ist schwer zu definieren. Das Spektrum beginnt bei leichten Abweichungen von der Norm und endet kurz vor manifesten psychischen Störungen. Da sich also bereits die Definition der Verhaltensauffälligkeit schwierig gestaltet, ist die zugehörige Diagnostik und Testung auch nicht einfacher. Weil es sich eben nicht um ein definiertes Krankheitsbild handelt, sondern um eine Vielzahl verschiedener Erscheinungsformen mit und ohne Krankheitswert, kann es auch keinen Test geben, der jedes Problemverhalten eindeutig erfasst.
Trotzdem sollte jedes Kind mit Verdacht auf Verhaltensauffälligkeiten getestet werden, da es für die allerhäufigsten Verhaltensauffälligkeiten mittlerweile ganz gute Testverfahren gibt. Dazu gehört beispielweise das Screening für Verhaltensauffälligkeiten im Schulbereich (SVS), das einen Fragebogen für Lehrer darstellt und differenziert zwischen aggressivem Verhalten, Hyperaktivität, internalisierende Störungen und Probleme der Fähigkeiten bzw. Ressourcen-Nutzung.
Seit langem etabliert und auch für jüngere Kinder anwendbar ist die CBCL (child behaviour check list), die emotionale und Verhaltensprobleme erfasst. Die Vineland Skalen legen ihren Fokus mehr auf die intellektuellen Fähigkeiten des Kindes und dienen der Verhaltensbeobachtung. Nach diesem Prinzip der Symptomskala sind noch viele vergleichbare Tests aufgebaut, die je nach Ermessen des Therapeuten eingesetzt werden können. Zeigt das Kind also eine dieser typischen Verhaltensstörungen, werden diese relativ zuverlässig erkannt. Bei nur leichten oder atypischen Auffälligkeiten stoßen diese Verfahren jedoch an ihre Grenzen.
Viele der weiteren Testungen, die zusätzlich mit den betroffenen Kindern durchgeführt werden, dienen dem Ausschluss anderer Ursachen, wie beispielsweise ADHS oder psychische Erkrankungen, und der Erfassung des aktuellen psychischen Wohlbefindens mitsamt intellektueller Fähigkeiten. Gerade beim ADHS, das viele zu den Verhaltensauffälligkeiten zählen, ist die Differenzierung wichtig, da diese Störung völlig anders (und medikamentös) behandelt wird.
Auch die Feststellung der psychischen Entwicklung ist Teil der Diagnose. Aus den Ergebnissen dieser Tests, einer ausführlichen Anamnese und einer körperlichen Untersuchung kann dann der behandelnde Arzt bzw. Therapeut das Vorliegen einer Verhaltensstörung feststellen oder weitere Untersuchungen anordnen.
Auffälliges Verhalten ist in erster Linie keine Krankheit. Demnach kann man es auch nicht „heilen“ oder medikamentös therapieren. Bei der Behandlung einer Verhaltensstörung stehen Psycho- und Verhaltenstherapie an erster Stelle. Medikamente haben hier, anders als beim ADHS, fast keinen Stellenwert.
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Besonders wichtig ist nicht nur die Therapie des Kindes, sondern vor allem auch seiner Eltern und Lehrer, da diese maßgeblich am Erfolg der Therapie beteiligt sind. Ihnen wird in Seminaren gezeigt, wie sie dem Kind Ordnung und Stabilität bieten, und positives Verhalten fördern und negatives unterbinden können. Die Kinder sollen lernen, sich an Regeln zu halten und sich in das Schulleben zu integrieren. Das funktioniert zum Beispiel durch die Etablierung klare Strukturen und Abläufen, die aktive Einbindung in schulische Aktivitäten, das Entziehen der Aufmerksamkeit bei unangemessenem Verhalten und die Belohnung bei positivem Verhalten.
Außerdem muss das psychische Wohlbefinden des Kindes sichergestellt und etwaige Probleme behandelt werden. Das genaue Verfahren ist dabei von Kind zu Kind unterschiedlich und richtet sich nach Ursache des auffälligen Verhaltens. Wichtig ist, auf Ängste und Sorgen einzugehen, Talente und Selbstwertgefühl zu fördern und dem Kind aufzuzeigen, welche Vorteile es durch die Integration hat.
Auch im Rahmen der Frühförderung können Verhaltensauffälligkieten behandelt werden.
Die Prognose ist von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt stark davon ab, welche Ursachen die Verhaltensauffälligkeiten haben, wie ausgeprägt diese sind und wie sie behandelt werden.
Kann der Grund gefunden und beseitigt werden, integrieren sich die Kinder meist problemlos wieder in den Schul- und Familienalltag.
Bleibt die Ursache bestehen oder war die Verhaltensstörung schon lange präsent, wirkt sich der überwiegend negative Umgang mit dem Kind auf seine Psyche aus. Werden Kinder als „Störenfriede“ abgestempelt, bleiben sie meist auch in diesem Muster.
Fast alle Verhaltensauffälligkeiten sistieren irgendwann, da sie im Erwachsenenalter ohnehin nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielen. Das bedeutet leider nicht, dass keine Therapie nötig wäre. Unbehandelte Kinder, die nicht gelernt haben, mit ihren auslösenden Problemen umzugehen und denen keine ausreichende Struktur geboten wurde, laufen Gefahr im späteren psychische Probleme wie z.B. Depressionen zu entwickeln. Die frühe Erkennung und therapeutische Behandlung kann dem entgegenwirken.
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