Die Krallhand (oder Krallenhand) ist das Leitsymptom einer Schädigung des Nervus ulnaris (Ellennerv). Bei der Schädigung des Nervus ulnaris unterscheidet man drei Orte: Ellenbogen, Handgelenk und Hohlhand.

Krallhand

Was ist eine Krallhand?

Die Krallhand (oder Krallenhand) ist das Leitsymptom einer Schädigung des Nervus ulnaris (Ellennerv). Der Ellennerv entspringt aus dem Plexus brachialis, einem Nervengeflecht auf Höhe der Halswirbelsäule, und verläuft in der Tiefe auf der Rückseite des Oberarms abwärts. Nahe des Ellenbogens zieht der Nervus ulnaris zum Unterarm und weiter bis zur Hand. Viele kennen das unangenehme Gefühl, sich den „Musikantenknochen oder -nerv“ zu stoßen. Hierbei ist der Ellennerv betroffen und löst die Schmerzen und die Empfindungsstörungen im Arm und in der Hand aus.

Der Nerv versorgt an der Hand den Klein- und Ringfinger sowie die darunterliegende Handfläche und Teile des Handrückens sensibel (mit Tastempfinden). Außerdem steuert er verschiedenste Muskeln des Unterarms und der Hand, die die Handbeugung und die Bewegung der Finger (Spreizen, Beugen usw.) ermöglichen. Durch seinen relativ oberflächlichen Verlauf am Ellenbogen und am Unterarm ist er besonders häufig von Verletzungen betroffen. Die Nervus-ulnaris-Lähmung ist deshalb die am häufigsten auftretende Nervenlähmung der Extremitäten.

Begleitende Symptome

Neben der Krallenhand kann es je nach Höhe der Schädigung auch zu Empfindungsstörungen der Hand kommen. Diese betreffen Ring- und Kleinfinger sowie die angrenzende Handhälfte auf Handfläche und -rücken. Je höher die Schädigung, desto ausgedehnter die Ausfälle. Dabei kann es sich um ein Taubheitsgefühl, Kribbeln, Temperaturempfindungsstörungen, Brennen oder Schmerzen handeln. Hält die Lähmung einige Zeit an, kommt es zu sichtbarem Muskelschwund der Hand.

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Schmerzen

Die Schädigung eines Nervs kann sich vielfältig bemerkbar machen. Auch Schmerzen kommen vor. Manchmal direkt nach der Schädigung, gegebenenfalls erst nach einiger Zeit. Diese sind typischerweise anfallsartig einschießend und können sich brennend, stechend oder dumpf anfühlen. Dieser sogenannte Nervenschmerz (neuropathischer Schmerz) kann enorm belastend sein. Die Behandlung unterscheidet sich von anderen Schmerzarten. Eingesetzt werden Antidepressiva, Medikamente gegen Epilepsie (Antikonvulsiva), Opioide, oder örtliche Betäubungsmittel (Lidocain, Capsaicin). Auch Physio- oder Ergotherapie sind hilfreich.

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Taubheit

Die beschriebenen Missempfindungen können sich ganz unterschiedlich manifestieren. Häufig klagen Betroffene über ein Taubheitsgefühl. Viele kennen dieses Gefühl, wenn man sich den Ellenbogen und damit den „Musikantenknochen oder –nerv“ gestoßen hat. Begleitet werden kann dies von Schmerzen, Temperaturmissempfindungen oder dem Gefühl, Arm und Hand wären „eingeschlafen“.

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Ursache Nervenschädigung des Nervus ulnaris

Bei der Schädigung des Nervus ulnaris unterscheidet man drei Orte: Ellenbogen, Handgelenk und Hohlhand. Am Ellenbogen kann es durch Knochenbrüche, falsche Lagerung während einer Operation, Entzündungen oder altersbedingten Gewebsverfall zu Schädigungen kommen. Am Handgelenk sind Schnittverletzungen, in der Hohlhand langanhaltende Druckbelastung (z.B. durch Werkzeuge oder Fahrradfahren) die häufigsten Ursachen.

Je früher im Verlauf der Nerv geschädigt wird, desto ausgeprägter ist das Gesamtausmaß der Ausfallerscheinungen. Immer jedoch kommt es zum Bild einer Krallenhand. Diese Haltung entsteht durch den Ausfall der durch den Nervus ulnaris versorgten Muskeln und den nun überwiegenden Zug ihrer Gegenspieler. Die Grundgelenke der Finger sind überstreckt, Mittel- und Endgelenke gebeugt. Am deutlichsten wird dies an Ring- und Kleinfinger sichtbar. Bei Schädigung auf Höhe des Ellenbogens kann zudem der Daumen nicht mehr seitlich zum Ringfinger herangezogen werden und es treten Gefühlsstörungen (Taubheitsgefühl, Kribbeln) der Handhälfte seitens des Ring- und Kleinfingers auf.

Bei Verletzungen auf Höhe des Handgelenks kommt es ebenfalls zu begleitenden, wenn auch weniger ausgeprägten, Gefühlsstörungen. Liegt der Ort der Schädigung in der Hohlhand, kommt es hingegen nur zum Bild der Krallenhand.

Krallenhand nach einem Schlaganfall

Bei einem Schlaganfall kommt es durch Blutgerinnsel oder Blutungen im Gehirn zu Sauerstoffminderversorgung und Zelluntergang. Absteigende Nervenfasern liegen hier eng gebündelt, sodass ein Schlaganfall ausgedehnte Ausfallerscheinungen (Missempfindungen, Lähmungen) verursacht. Dass nur ein einzelner Nerv betroffen ist, ist unwahrscheinlich.

Die betroffenen Nerven und die von ihnen versorgten Muskeln können jedoch individuell unterschiedlich stark beeinträchtigt sein sowie ihre Funktionsfähigkeit mehr oder weniger zurückerlangen. Halten die Lähmungen an, werden diese von schlaff zu verkrampft (spastisch). So kann es durch anhaltende Muskelverkrampfungen (Spastiken) auch zum Bild der Krallenhand kommen.

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Diagnose

Wegweisend für die Diagnose ist bereits das gezielte Untersuchen von Muskelfunktionen und Haltungsveränderungen. Bei einer hohen Lähmung ist der Patient nicht mehr in der Lage ein Blatt Papier zwischen Daumen und Zeigefinger zu halten, ohne den Daumen im Endgelenk zu beugen (Fromment-Zeichen). Zudem ist der Daumen häufig im Grundgelenk überstreckt (Jeanne-Zeichen). Man bittet den Patienten gegen Widerstand das Handgelenk auf der Ring- und Kleinfingerseite sowie die Fingergrundgelenke zu beugen, die Langfinger zu spreizen und mit Daumen und Zeigefinger schnippende Bewegungen gegen die flache Hand des Untersuchers zu machen. Schwächen hierbei lassen auf Lähmungen schließen.

Elektroneurographie (NLG)

Zur sicheren Diagnose sollte die Elektroneurographie zum Einsatz kommen. Man setzt einen elektrischen Reiz und leitet die elektrischen Potentiale des Nervs ab. So testet man unter anderem die Nervenleitgeschwindigkeit. Eine Verringerung spricht für eine Schädigung. Diese Diagnosemethode ist sehr empfindlich, erlaubt jedoch keine Aussage über die Schädigungsursache.

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Behandlung/Therapie

Die Therapie besteht vorranging in einer Schonung (z.B. den gebeugten Ellenbogen nicht aufsetzen) der Ellenbogenregion. Unterstützend kann eine Schienung bzw. Polsterung zum Einsatz kommen. Werden die Symptome schlimmer, sollte die Möglichkeit einer operativen Entlastung des erwogen werden. Man unterscheidet zwei Vorgehensweisen: Eine Möglichkeit ist die Verlegung des Nervs aus der Knochenrinne am Ellenbogen in die Ellenbeuge, wo er geschützter liegt.

In einer weiteren, schonenderen Methode, wird das den Nerv am Ellenbogen umgebende Gewebes durchtrennt. Im Rahmen der Ausheilung kommt es zu Vernarbung, Dehnung und somit Druckentlastung. Neu ist die minimal-invasive endoskopische Operation (nur 2–3 cm statt 10–12 cm langer Schnitt). Sie ist jedoch noch nicht sehr verbreitet, da sie spezialisierte Instrumente voraussetzt.

Ergotherapie

Lähmungen oder Muskelschwäche können durch gezieltes Training im Rahmen einer Ergotherapie behandelt werden. Ziel ist die Wiedererlangung von Kraft und feinmotorischen Fähigkeiten. Wichtig ist ein regelmäßiges und andauerndes Beanspruchen er betroffenen Muskeln durch spezielle Übungen.

Dauer

Akute Schmerzen oder Kribbeln bessern sich oft rasch. Je nach Ausmaß der Schädigung können Taubheitsgefühle, Kribbeln und Muskelschwäche jedoch einige Zeit benötigen, um sich ganz zurückzubilden. Die vollständige Regeneration kann mehr als 12 Monate dauern.

Wie sind die Heilungschancen?

Wird die Therapie frühzeitig begonnen, sind die Heilungschancen gut. Wichtig ist die konsequente Entlastung des Nervs. Der Einsatz von Schonung, Ergo- und Physiotherapie sowie gegebenenfalls einer operativen Entlastung lassen in der Regel eine gute Prognose zu. Natürlich immer in Abhängigkeit vom Ausmaß der Schädigung. In der Regel werden Muskelfunktion und Empfinden der betroffenen Stellen wiedererlangt.

Weiterführende Informationen

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 19.12.2018 - Letzte Änderung: 21.04.2022