Die Lokalanästhesie beim Zahnarzt

Die Lokalanästhesie beim Zahnarzt

Einleitung

Durch die Lokalanästhesie findet eine örtliche Betäubung im Bereich der Nervenendigungen im Mund statt. Dadurch kommt es zu einer örtlichen Schmerzausschaltung und Ausschaltung der Sensibilität, ohne dass es zu einer Bewusstseinsbeeinträchtigung des Patienten kommt.

Nach einer Weile wird das Lokalanästhetikum vom Körper abgebaut und die Wirkung beginnt nachzulassen. Zusätzlich zu einem Lokalanästhetikum gibt man oft noch einen sogenannten Vasokonstriktor wie Adrenalin. Adrenalin stellt die Gefäße eng, sodass es länger dauert, bis das Lokalanästhetikum mit dem Blut abtransportiert wird. Dadurch wird die Wirkung des Lokalanästhetikums verlängert.

Indikation

Die Indikation hängt zum einen von der Art des Eingriffes ab, zum anderen auch vom Wunsch des Patienten. Je nach Eingriff werden unterschiedliche Anästhesieformen gewählt.

Bei größeren Operationen im Mundraum ist häufig eine Vollnarkose von Nöten. Oft erfolgt eine Betäubung auch durch eine Angststörung des Patienten vor zahnmedizinischen Eingriffen (Dentophobie).

Dies könnte Sie auch interessieren: Angst vor dem Zahnarzt

Einteilung der Lokalanästhesie in der Zahnmedizin

Oberflächenanästhesie

Die Oberflächenanästhesie wird zur Schmerzausschaltung der Mundschleimhaut genutzt, z.B. im Rahmen der Schmerzreduktion bei Injektion des anschließenden Lokalanästhetikums oder bei oberflächlichen Eingriffen im Bereich des Zahnfleisches. Dabei werden durch Diffusion die sensiblen Nervenendigungen versorgt und so anästhesiert.
Zur Oberflächenanästhesie werden vor allem Atricain, Lidocain und Tetracain genutzt. Die Anwendung findet als Gel, Salbe oder Spray statt. Oft wird dabei das Anästhetikum auf ein Wattestäbchen appliziert und etwa eine Minute auf die künftige Injektionseinstichstelle platziert. Ähnliche Erfolge wie durch die Oberflächenanästhesie lassen sich durch die Durckanästhesie erzielen. Dabei wird auf das spätere Injektionsgebiet für circa 15 Sekunden ein Druck mit dem Finger ausgeübt, wodurch die spätere Injektion schmerzfreier erfolgt.

Erfahren Sie hier mehr zum Thema: Vollnarkose beim Zahnarzt

Infiltrationsanästhesie

Die Infiltrationsanästhesie wird nur bei Eingriffen im Oberkiefer eingesetzt, da hier das Knochengewebe weniger dicht und somit durchlässig für das Anästhetikum ist. Im Gegensatz zum Unterkiefer, dessen Knochen stärker ausgeprägt ist. Daher wird hier in der Regel eine Leitungsanästhesie durchgeführt.
Das Lokalanästhetikum wird bei der Infiltrationsanästhesie unter die Schleimhaut (submukös) und über die Knochenhaut (supraperiostal) gespritzt, sodass es sich dann über die Knochenhaut im Knochen ausbreiten kann. Schon nach ein bis drei Minuten beginnt die Lokalanästhesie seine ersten Wirkungen zu zeigen, wobei die maximale Wirkung erst nach circa 20 Minuten eintritt. Im Zeitfenster der maximalen Wirkstärke reicht die Anästhesie aus, um z.B. einen Zahn zu ziehen.

Dieses Thema könnte Sie außerdem interessieren: Zahnärztliche Schmerzausschaltung

Leitungsanästhesie

In der Leitungsanästhesie wird die Blockade einer Nervenbahn genutzt, dadurch werden alle Bereiche betäubt, die von dieser Nervenbahn versorgt werden. Diese Form der Anästhesie wird vor allem bei größeren Eingriffen im Bereich des Unterkiefers angewendet. Die Knochen am Unterkiefer sind stärker ausgebildet, sodass hier die Leitungsanästhesie besser wirkt als die Infiltrationsanästhesie.
Das Betäubungsmittel wird in die Nähe des Nervus alveolaris inferior im Bereich des Foramen mandibulae (Eintrittsstelle in den Kiefer) injiziert. Dabei wird nicht wie bei der Infiltrationsanästhesie nur der entsprechende Zahn betäubt, sondern auch das ganze nachfolgende Versorgungsgebiet des Nervs. Dies führt somit zu einer länger dauernden Betäubung des Unterkiefers, der beteiligten Schleimhäute sowie der Unterlippe.

Mehr hierzu: Leitungsanästhesie

Intraligamentäre Anästhesie

Im Zuge der intraligamenären Anästhesie wird nur der betroffene Zahn anästhesiert. Die Injektion erfolgt dabei in den sogenannten Sulcus gingivae. Beim Sulcus gingivae handelt sich um eine zirkulär um den Zahn verlaufende Vertiefung zwischen Zahnhals und Zahnfleisch. Sie eignet sich für den Ober- und Unterkiefer, allerdings mit Einschränkungen für den Unterkiefer-Seitenzahnbereich, da dort die Zähne kräftiger ausgebildet sind.
Diese Form der Anästhesie nennt sich „intraligamentär“, da eine Minikanüle in den Peridontalspalt, in die Bänder (lat.“ligamentum) des Zahnhalteapparates eingeführt wird und das Lokalanästhetikum dort injiziert wird. Das Anästhetikum dringt in den Zahnhalteapparat inklusive der knöchernen Strukturen bis zur Zahnwurzelspitze ein und entfaltet seine Wirkung innerhalb von wenigen Sekunden. Die Wirkdauer entspricht circa 20 bis 30 Minuten, zur Wirkverlängerung kann Anästhetikum nachgespritzt werden.
Für die intraligamentäre Anästhesie bedarf es nur wenig des Anästhetikums pro Bahn, sodass diese Form der Anästhesie besonders bei Patienten mit Herz-Kreislaufproblemen geeignet ist.

Nachwirkungen der Anästhesie

Nach der Anästhesie kommt die Empfindung im behandelten Bereich erst nach einer Weile wieder. Danach sollte zunächst auf eine Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr verzichtet werden.
Die Dauer des Verzichts ist abhängig von der Art des Eingriffs und der Anästhesie. Dies dient prophylaktisch als Schutz vor Verschlucken von Speiseresten und Flüssigkeit.

Wie lange dauert die Wirkung der Lokalanästhesie an?

Wie lange eine Lokalanästhesie nach einem zahnärztlichen Eingriff anhält, ist immer sehr unterschiedlich und hängt neben dem individuellen Metabolismus (Stoffwechsel) des Patienten und von der Art des eingesetzten Lokalanästhetikums, dessen Dosierung und möglicher Zusätze ab.

Im Durchschnitt hält die Schmerzfreiheit zwischen 30 Minuten und einer Stunde an. Jedoch bleibt die subjektive Taubheit deutlich länger bestehen. Hier kann von einer Wirkdauer von bis zu 5 Stunden ausgegangen werden, welche allerdings wieder stark individuell variiert.

Ebenfalls Einfluss auf die Dauer der Wirkung hat die Lokalisation der Betäubung. So wirkt beispielsweise eine Betäubung mit Bupivacain (Handelsname Carbostesin®) im Oberkiefer bis zu fünf Stunden und im Unterkiefer bis zu acht Stunden. Dies liegt mitunter an der Knochenstruktur: Der Oberkiefer hat eine geringere Knochendichte, weshalb das Anästhetikum schneller abtransportiert werden kann als im kompakteren Unterkiefer.

Zusätze wie Phentolaminmesilat können die Wirkdauer von Lokalanästhetika und das damit verbundene Taubheitsgefühl verkürzen. Sie werden wie die Lokalanästhesie an die selbe Stelle injiziiert und entfalten dort ihre Wirkung. 

Wann darf ich nach einer Lokalanästhesie wieder rauchen?

Grundsätzlich ist es ratsam, nach einem zahnmedizinischen Eingriff so lange wie möglich nicht zu rauchen, da das Rauchen die Wundheilung stark beeinträchtigt und Wundheilungsstörungen und schwere Infektionen begünstigt.

Ansonsten gilt für das Rauchen eine ähnliche Regelung wie für das Essen und Trinken nach einer lokalen Betäubung. Sobald die Betäubung komplett abgeklungen ist, kann wieder geraucht werden, ohne dass das Risiko für Verschluckungen oder Verletzungen durch die Betäubung bestehen. Da die Wirkdauer der lokalen Betäubung jedoch sehr individuell ist, kann man auch für das Rauchen keine genaue Richtzeit angeben.

Nebenwirkungen der Lokalanästhesie

Lokalanästhetika sind in den meisten Fällen gut verträglich, sodass keine Nebenwirkungen auftreten. Wenn Nebenwirkungen auftreten, kommen diese meistens durch den Zusatz von Adrenalin zustande.

Absolute Kontraindikationen für die Gabe von Adrenalin sind:

Wird eine zu große Menge des Anästhetikums verwendet kann es zu Unwohlsein, Unruhe, Schwindelgefühl, Herzklopfen einem metallischen Geschmack und Taubheit im Mund bis zu Krampfanfällen kommen.

Desweiteren kann der Patient allergisch auf das Lokalanästhetikum reagieren.

Als Komplikation kann es durch die Spritze zu Nervenschädigungen kommen v.a. des Nervus lingualis und Nervus alveolaris inferior, die teilweise dauerhaft sind. Es kann zu Gefäßschädigungen und Schleimhautschädigungen kommen. Selten kommt es zu einer Infektion kommen.

Lesen Sie mehr zum Thema: Nebenwirkungen einer Lokalanästhesie

Welche Wirkstoffe werden eingesetzt?

Es sind verschiedene Wirkstoffe zur lokalen Betäubung bei Zahnbehandlungen zugelassen. Je nach Anbieter können sie in Ihrer genauen Zusammensetzung variieren. Für genauere Informationen sollte immer das Gespräch mit dem behandelnden Arzt gesucht werden. Zu den gängisten Wirkstoffen gehören:

  • Lidocain
  • Prilocain
  • Articain
  • Mepivacain
  • Procain

Um eine Verlängerung der Wirkdauer zu erzeugen, kommen meist noch Zusätze wie Epinephrin oder Norepinehprin (auch Adrenalin) zum Einsatz. Diese bewirken ein Zusammenziehen der Gefäße, sodass der Wirkstoff nicht so schnell abtransportiert wird, sondern länger an seiner gewünschten Stelle wirkt. Außerdem ist so die Blutungsneigung verringert.

Lesen Sie dazu auch: Lokalanästhetika - die örtliche Betäubung

Dauer der Wirkung

Die Dauer der Lokalanästhesie kann sehr variieren. Sie hängt von der Art des Wirkstoffes, der verabreichten Menge und der Konzentration des Adrenalinzusatzes ab. Je höher die Adrenalinkonzentration ist und je mehr Anästhetikum verabreicht wird, desto länger hält die Anästhesie an.

Auch die Art der Applikation hat eine Auswirkung auf die Dauer. Eine Leitungsanästhesie, bei der die rechte oder linke Unterkieferhälfte vollständig betäubt wird hält länger an als eine Infiltrationsanästhesie oder Intraligamentäre Anästhesie, bei der nur einzelne Zähne betäubt werden. Die Anästhesie klingt meist nach 3-5 Stunden vollständig ab.
Solange der Mundraum noch betäubt ist, sollten Sie aufs Essen und heiße Getränke verzichten, um eine Verletzung zu vermeiden.

Ist eine Lokalanästhesie beim Zahnarzt in der Schwangerschaft/Stillzeit möglich?

Grundsätzlich ist eine Behandlung mit Lokalanästhesie beim Zahnarzt sowohl während der Schwangerschaft, als auch während der Stillzeit möglich.
Jedoch sollte die Indikation für die Notwendigkeit der Behandlung streng gestellt werden, da trotz guter Verträglichkeit von Lokalanästhetika jeder Eingriff mit Risiken verbunden ist.
Besteht dringender Bedarf einer Behandlung, sollte vorab die Schwangerschaft bzw. die Stillzeit mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, damit das passende Lokalanästhetikum gewält werden kann und gegebenenfalls eine Dosisreduktion erfolgen kann. Auch der eventuelle Verzicht auf bestimmte Zusätze wie Adrenalin in den Lokalanästhetikamischungen sollte bei einer bestehenden Schwangerschaft im Vorfeld besprochen werden. Häufig werden Articain und Bupivacain verwendet.

Mehr zu diesem Thema: Lokalanästhetika in der Schwangerschaft

Die TENS

Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) nutzt man Reizstrom, wodurch Schmerzen nach einer Behandlung/Erkrankung gelindert werden können und eine Analgesie (Schmerzausschaltung) bei Eingriffen erreicht wird. Durch den Reizstrom werden schmerzunterdrückende Botenstoffe (Neurotransmitter und Endorphine) gesteigert ausgeschüttet. Zusätzlich werden gefäßweitstellende Stoffe vermehrt produziert, sodass die Schmerzweiterleitung gehemmt wird.

Für diese Methode verwendet man ein TENS-Gerät. Es besteht aus einem Generator und zwei Elektroden. Zur Behandlung werden die Elektroden im Mund und außerhalb des Mundes positioniert. Vor der Behandlung werden vom Zahnarzt Impulsstärke und -frequenz sowie die Stromstärke angepasst. Allerdings kann der Patient, sollten sich seine Schmerzen verändern, die Parameter eigenständig verändern.

Diese Themen könnten Sie ebenfalls interessieren:

Geschichte der Lokalanästhesie

Der Augenarzt Carl Koller entdeckte 1884 zufällig durch den Konsum von Kokain dessen betäubende Wirkung, nachdem er feststellte, dass Kokain seine Zunge betäubte. Nach dieser Erkenntnis nutzte der Chirurg William Stewart Halstet 1885 erstmals Kokain zur Lokalanästhesie in der Zahnmedizin. So entwickelte sich letztendlich die Oberflächen-, Leitungs- und Infiltrationsanästhesie.

1905 wurde erstmals Adrenalin zur Verlängerung der Anästhesie von Heinrich Braun verwendet. In den darauf folgenden Jahren gelang es immer besser, Lokalanästhetika künstlich herzustellen, so zum Beispiel das viel verwendete Lidocain und Procain.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 13.02.2015 - Letzte Änderung: 22.10.2021