Unter Hospitalismus versteht man alle negativen Folgen körperlich und psychisch infolge eines längeren Krankenhaus oder Heimaufenthaltes. Auch durch eine Inhaftierung kann ein Hospitalismus entstehen.
Hospitalismus ist die Gesamtheit der psychischen und physischen negativen Folgen, die ein Entzug von Zuwendung und Reizen (= Deprivation) auf einen Patienten nehmen kann.
Diese treten typischerweise bei Kindern auf, die sich noch in einer wichtigen Phase ihrer körperlichen, seelischen und sprachlichen Entwicklung befinden. Den Namen „Hospitalismus“ erhielt dieser Zustand aus dem Grund, dass er zuerst bei Kindern, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg in Heimen und Krankenhäusern (= Hospital) aufgehalten hatten, beschrieben wurde. Doch diese Störung kann durchaus auch bei älteren Personen, die sich lange in Isolation befinden, z.B. durch Isolationshaft, auftreten. Neben dem meist synonym verwendeten psychischen Hospitalismus, gibt es den so genannten infektiösen Hospitalismus, d.h. durch pflegerische und ärztliche Vernachlässigung ausgelöste Krankheiten.
Vor allem in Krankenhäusern und Heimen bekommen Patienten und Gepflegte häufig nicht die Aufmerksamkeit, die sie bräuchten (Hospitalismus). Das Personal ist teilweise überlastet, kann und möchte sich nicht viel Zeit für den Einzelnen nehmen. Früher war man sich dessen nicht genügend bewusst, dass es nicht ausreicht, die Grundbedürfnisse zu decken und auch heute muss teilweise noch daran erinnert werden, dass besonders bei Kindern Zuwendung ein Teil der Pflege sein muss. Die Entwicklung von Kindern enthält nämlich so genannte sensible Phasen, in denen bestimmte grundlegende Dinge erreicht werden müssen, wie z.B. die Bindung zu einer festen Bezugsperson. Geschieht dies nicht, entwickeln sich Bindungsstörungen, die den Patienten sein ganzes Leben lang begleiten können. Ähnliches gilt für die Entwicklung der Sprache und sozialer Fähigkeiten. Auch das Fehlen von Reizen kann zu Hospitalismus führen, wie es bei längerem Aufenthalt in dunklen und schallundurchlässigen Räumen vorkommt. Besonders auch ein Mangel an Bewegung (Bsp.: Gipsverband) kann problematisch werden.
Hier werden die Symptome des psychischen und des physischen Hospitalismus dargestellt. Da es sich beim physischen Hospitalismus um das vermehrte Auftreten bestimmter Infektionskrankheiten in Krankenhäusern handelt, entsprechen die Symptome denen der jeweiligen Krankheiten. Die Symptome des psychischen Hospitalismus gestalten sich durchaus einheitlicher. Grundsätzlich kann man körperliche von seelischen Beeinträchtigungen unterscheiden. Bei beiden liegt die verzögerte oder falsche Entwicklung zu Grunde. Zu den körperlichen Symptomen zählen Abmagerung (meist durch Appetitmangel verursacht), Infektionskrankheiten durch geschwächte Abwehr, zwanghaft ausgeführte repetitive Bewegungen (so genannte Stereotypien) oder auch ein verlangsamtes Wachstum. Seelisch kommt es zu diversen Sprachstörungen, Depression, Apathie (also Teilnahmslosigkeit) und zu einem intellektuellen Abbau. Teilweise geht dies so weit, dass die Patienten sich regressiv entwickeln, d.h. sich wie deutlich jüngere Kinder verhalten, gerade so als hätten sie alles wieder verlernt. Der Umgang mit solchen Kindern ist natürlich besonders anspruchsvoll. Diese spüren die Frustration der Umwelt als Ablehnung und ziehen sich noch weiter zurück. Ein Teufelskreis entsteht. Genauso werden die sozialen Fähigkeiten beschädigt. Kinder fassen nur ungern Vertrauen zu Fremden, auch die Beziehung zu Verwandten, insbesondere Eltern, kann sich verschlechtern. Die Symptome können sich teilweise zurückbilden oder aber sich fortführen und sogar verschlechtern. So können sich Persönlichkeitsstörungen bilden, wie z.B. eine Borderlinestörung.
Ein berühmtes Beispiel für den psychischen Hospitalismus, das für ein Synonym herhalten musste, ist das Findelkind Kaspar Hauser. Dieser wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Nürnberg gefunden. Er zeigte alle der oben genannten Symptome in höchster Ausprägung, was wahrscheinlich daran lag, dass er die ersten 16 Jahre seines Lebens eingesperrt in einem dunklen Kerker verbrachte. Auch die Entwicklung einer Borderlinestörung in seinem Fall ist nicht ausgeschlossen. So wieß er immer wieder Verletzungen auf, welche ihm angeblich von maskierten Unbekannten zugefügt worden waren. Diese wurden jedoch niemals gefunden. Zeugen gab es ebenfalls nicht.
Die Diagnose eines psychischen Hospitalismus wird gewöhnlich von einem Psychiater erhoben. Abzugrenzen ist die Störung beispielsweise vom Autismus, der sich in seiner Ausprägung großflächig mit dieser überschneidet. Ein Kriterium hierfür ist, dass der Autismus im Gegensatz zum Hospitalismus nicht reversibel und meist nicht auf Traumatisierung zurückzuführen ist. Daher ist es hilfreich zu erfragen, unter welchen Umständen die Symptome das erste Mal auffielen. Außerdem zeigt der Hospitalismus Ähnlichkeit zur Depression. Diese zeigt ebenfalls einen anderen Verlauf und geht nicht unbedingt mit bleibenden geistigen und körperlichen Defiziten einher.
Grundsätzlich muss zuallererst die schädliche Umgebung verlassen werden. Der Patient (Hospitalismus) sollte in eine möglichst fürsorgliche und an Anreizen reiche Umgebung gelangen, die es vor allem bei Kindern ermöglicht Defiziten vorzubeugen und die ersten Symptome verschwinden zu lassen.
Unterbleibt dies für längere Zeit, so kommt es zu bleibenden Schäden, die einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfen. Also ist es wichtig, die Krankheit möglichst früh zu erkennen und gegenzusteuern. Zudem ist in bestimmten Fällen noch die Behandlung einzelner sekundär erworbener Krankheiten, wie z.B. Infektionen, vonnöten (Hospitalismus).