Behandlung von Steißbeinschmerzen

Einleitung

Steißbeinschmerzen (Kokzygodynie) sind Schmerzen, die im unteren Wirbelsäulenbereich (Os coccygis) auftreten und meist einen stechenden oder ziehenden Charakter haben und in angrenzende Körperregionen ausstrahlen können.
Teilweise klagen die Patienten über so starke Schmerzen, dass der Stuhlgang, Geschlechtsverkehr oder auch nur das Sitzen nahezu unmöglich erscheinen. Ungefähr 80% der Patienten mit Steißbeinschmerzen sind Frauen.

Behandlung nach Ursache

Meist liegen Steißbeinschmerzen

  • Knochenhautentzündung am Steißbein
  • Brüche (Frakturen)
  • Entzündungen der Muskeln, Sehnen oder Knochen
  • angeborene Steißbeinfehlbildungen
  • Steißbeinfisteln, Geschwüre (Tumore)
  • Bandscheibenvorfall der LWS
  • starke mechanische Überbeanspruchung (Unfälle, Geburten, schwangerschaftsbedingter Druck des Kindes auf das Steißbein, chronische Verstopfung)
    oder
  • psychosomatische Erkrankungen

zugrunde.

Bevor eine adäquate Therapie durchgeführt werden kann, bedarf es ausreichender und zielführender Diagnostik in Form einer ärztlichen, klinischen Untersuchung anhand des Zeigefinger- Einführens in den After (Digito - rektale - Untersuchung) zudem in Form von Röntgenbildern (Steißbeinzielaufnahme), MRT- Untersuchungen vom Steißbein, CT-Untersuchungen und einer gynäkologischen Untersuchung.

Behandlung von Steißbeinschmerzen

Steißbeinschmerzen nehmen häufig einen langwierigen Verlauf. Zunächst muss die Ursache der Schmerzen erkannt werden, damit diese behandelt werden kann. Handelt es sich um einen Bruch (Fraktur) des Steißbeines, kommen als erstes schmerzlindernde Medikamente wie Paracetamol, Ibuprofen oder Diclofenac (orale Analgetika) zum Einsatz. Außerdem besteht die Möglichkeit der Infiltration örtlicher Betäubungsmittel (Lokalanästhetika) oder entzündungshemmender Medikamente (Glukokortikoide/ Cortison).

Des weiteren sollte der Patient eine heilungsfördernde Bettruhe einhalten oder durch einen muldenförmigen Sitzring eine Entlastung des Steißbeins beim Sitzen erzielen. Auch eine krankengymnastische Behandlung (Physiotherapie) oder eine Psychotherapie kann helfen, die Symptome zu lindern. Studien zeigen, dass auch alternativmedizinische Maßnahmen (Komplementärmedizin) in Form von Yoga, Tai-Chi, Meditation, Osteopathie oder Akupunktur eine adäquate zusätzliche Therapiemöglichkeit darstellen können.

Wird mit diesen konservativen Maßnahmen über mehr als 3 Monate keine Besserung der Symptomatik erzielt, kann eine chirurgische Entfernung (Resektion) von Knochenteilen (Knochenfragmenten) oder des ganzen Steißbeins von Nöten sein. Allerdings kann auch eine Operation zu starken Schmerzen im Bereich der Narbe führen und sollte daher genaustens abgewogen werden.

Bei Prellungen im Bereich des Steißbeins (z.B. durch Stürze oder direkte Gewalteinwirkung) können Kühlung oder schmerzlindernde Medikamente Besserung verschaffen. Nach einer Prellung sollte jedoch das Steißbein regelmäßig untersucht werde. Falls es zu starken Flüssigkeitseinlagerungen in diesem Bereich kommt, kann eine chirurgische Entlastung nötig werden.

Auch bei Bandscheibenvorfälle der Lendenwirbelsäule (Bandscheibenprolaps der Lendenwirbelsäule) oder Bandscheibenvorwölbungen der LWS (Bandscheibenprotrusion LWS) im Bereich der Lendenwirbelsäule kann es zu Schmerzen des Steißbeins kommen. Oft werden diese Schmerzen durch Nervenreizungen des Ischiasnervs (Nervus ischiadicus) oder des Nervus annococcygeus verursacht. Zunächst sollte versucht werden, den Bandscheibenvorfall auf konservative Weise in Form von Ruhe, Massagen, Krankengymnastik (Physiotherapie), Wärme und Bewegungstherapie, manueller Therapie oder auch schmerzlindernden Medikamenten zu behandeln. Persistieren die Beschwerden oder kommt es zusätzlich zu den Steißbeinschmerzen zu starken neurologischen Ausfallerscheinungen bzw. ist schon frühzeitig ein dringender Handlungsbedarf bekannt, sollte eine operative Therapie in Betracht gezogen werden.

Welcher Arzt behandelt Steißbeinschmerzen?

Steißbeinschmerzen können oftmals vom Hausarzt behandelt werden. Die Therapie besteht in der Regel aus einer körperlichen Schonung sowie Schmerzmitteln bei Bedarf. Diese kann der Hausarzt verschreiben. Um eine ernsthafte Verletzung des Steißbeins insbesondere nach Traumata wie Stürzen auszuschließen, kann eine Bildgebung erforderlich sein. Dazu schickt der Hausarzt den Betroffenen meist zunächst an einen Orthopäden. Dieser kann die Bildgebung bei einem Radiologen veranlassen. Da es sich beim Steißbein um eine knöcherne Struktur handelt, ist ein Röntgenbild oftmals ausreichend, seltener wird ein CT oder MRT benötigt. Ist ein Orthopäde in die Behandlung der Steißbeinschmerzen eingebunden, kann dieser zusätzlich Physiotherapie verschreiben.

Sitzring

Bei Steißbeinschmerzen wird ein Sitzring eingesetzt, der das Steißbein beim Sitzen schützen soll. Dazu ist der Sitzring in der Regel hinten offen, sodass die Belastung beim Sitzen vom Steißbein genommen wird. Diese Therapieform wird oftmals nach traumatisch bedingten Steißbeinschmerzen gewählt. So kann das Steißbein vorübergehend geschont werden, während das Sitzen dennoch ermöglicht wird. Auch Sitzkeile oder weiche Sitzkissen können zur Behandlung der Steißbeinschmerzen genutzt werden. Diese sind bei eher chronischen Steißbeinschmerzen oftmals sehr hilfreich. Sie können nicht nur in der akuten Therapie eingesetzt werden, sondern dienen auch der Vorbeugung eines erneuten Auftretens der Steißbeinschmerzen.

Welche Übungen können helfen?

Chronische Steißbeinschmerzen treten gehäuft in der Schwangerschaft auf, vor allem zu fortgeschrittenen Zeitpunkten der Schwangerschaft. Im Verlauf der Schwangerschaft lockern sich die Bänder und Muskeln, mit zunehmendem Gewicht des Kindes wird der Beckenboden mehr und mehr belastet. Dies kann im Verlauf zu Rückenschmerzen führen, die besonders im unteren Teil des Rückens bis zum Steißbein gelegen sind. Dagegen helfen Übungen, die die Beckenbodenmuskulatur stärken. Auch ohne das Vorlegen einer Schwangerschaft kann sich der Beckenboden lockern und so Steißbeinschmerzen verursachen. Nicht selten sind auch umliegende Muskeln die Ursache der Beschwerden. Diese können zu schwach ausgeprägt sein, in diesem Fall ist nicht nur die Kräftigung des Beckenbodens sondern auch der Gesäßmuskulatur ein guter Ansatzpunkt.
Welche Form der Übungen hilfreich ist, kann am besten von einem gut geschulten Physiotherapeuten eingeschätzt werden. Dieser kann bei dem Erlernen bestimmter Übungen helfen, die anschließend auch allein zu Hause durchgeführt werden können. Ist im Gegensatz dazu die Verspannung der Muskulatur im Gesäß ein Problem, sind eher Entspannungstechniken notwendig, um die Beschwerden zu lindern. Warme Bäder, Massagen und ggf. Akupunktur können die Behandlung der Steißbeinschmerzen daher oftmals zusätzlich positiv beeinflussen.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Training des Beckenbodens

Tapen

Tapen ist bei Steißbeinschmerzen vor allem dann sinnvoll, wenn die Ursache der Beschwerden in einer muskulären Dysbalance liegt. Besonders betroffen sind davon die Beckenbodenmuskeln, die man allerdings nur schlecht mit Tape behandeln kann. Liegt die Ursache der Schmerzen jedoch in der Gesäßmuskulatur, kann Tape sehr gute therapeutische Kräfte entfalten. Insbesondere das elastische Kinesiotape kann auf der Haut entlang der wichtigen Muskeln aufgebracht werden. So unterstützt es den Zug der geschwächten Muskulatur und kann den Schmerzen entgegenwirken. Gelegentlich werden die Schmerzen durch einen eingeklemmten Nerv verursacht. Auch hier kann Tape durch eine Unterstützung der Muskulatur den Nerv aus seiner Enge befreien und so die Beschwerden lindern.

Weitere Ursachen und Behandlungskonzepte

Auch Entzündungen der Muskeln, Sehnen oder Knochen im Bereich des Steißbeins können zu starken Steißbeinschmerzen führen. Hierbei ist wichtig zu unterscheiden, ob die Entzündung durch einen langwierigen (chronischen) Prozess, wie z.B. der chronischen Gelenkentzündung (Arthritis) oder einer akuten bzw. chronischen Entzündung z.B. des Knochens (Osteomyelitis) entstanden ist. Bei der Arthritis, die häufig im Bereich des Steißbeins auftritt und eine Erkrankung des rheumatologischen Formenkreises und somit eine Störung des Immunsystems darstellt (Psoriasis Arthritis), können lokale, schmerzlindernde Salben (topische Anwendung), entzündungshemmende Medikamente (Glucokortikoide/ Cortison), sowie spezielle Immunsuppressiva Linderung verschaffen.

Einer Entzündung des Knochens (Osteomyeltis) liegen meist Infektionen mit Bakterien, Viren oder Pilzen zugrunde. In ca. 75-80% ist der Auslöser das Bakterium Staphylococcus aureus. Daher ist es in den meisten Fällen nötig, mit einer adäquate Antibiotika-Therapie zu beginnen und den infizierten Knochen zu reinigen/spülen.

Steißbeinschmerzen können auch bei Schwangeren während der Schwangerschaft oder unter der Geburt entstehen. Die durch den Druck des Kindes auf das knöcherne Becken verursachten Steißbeinschmerzen verschwinden in der Regel von alleine, können aber auch durch Sitzringe, Krankengymnastik oder Wärmetherapie behandelt werden. Ab dem 2.Trimenon ist zusätzlich der Einsatz von einigen schmerzlindernden Medikamenten möglich.

Auch unter der Geburt entstehen häufig Schmerzen durch Reizung, Stauchung oder übermäßige Dehnung im Bereich des Steißbeins. Bei sehr starken entbindungsbedingten Steißbeinschmerzen kann eine Betäubung nahe des Rückenmarks (Periduralanästhesie/ PDA) Linderung verschaffen.

Als weitere Möglichkeit von Steißbeinschmerzen ist die Steißbeinfistel (Sinus Pilonidalis/ Sacraldermoid/ Pilonidalzyste) zu nennen. Hierbei kommt es meist zum Einwachsen von Haaren im Bereich des Steißbeins, aber auch Unfälle oder angeborene Fehlbildungen können eine Rolle spielen. Es bildet sich eine Verbindung (Fistel) zwischen der Haarwurzel und dem tieferen Gewebe. Diese Verbindung stellt einen Angriffspunkt für Eindringlinge wie z.B. Bakterien dar. Die Behandlung der Steißbeinfistel kann konservativ, also abwartend begonnen werden, sollte aber bei starken Schmerzen oder Entzündungen chirurgisch erfolgen. Da es nach der Operation häufig zu einem Wiederauftreten (Rezidiv) der Fistel kommt, ist in vielen Fällen eine sehr gut durchdachte Abwägung nötig.

Im Falle von Steißbeinschmerzen, die durch einen Tumor verursacht werden, muss zunächst die Art des Tumors festgestellt werden, um das weitere Vorgehen genau planen zu können. Häufig handelt es sich bei Steißbeintumoren um angeborene Fehlbildungstumore im Kindesalter (Teratom, Dermoid), es können aber auch Knochentumore, gynäkologische Tumore oder Absiedlungen (Metastasen) anderer Tumore gefunden werden. Je nach Tumorart bzw. Größe oder einem möglicherweise schon stattgefundenen Befall anderer Strukturen des Körpers kommen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten (Operation, Chemotherapie, Bestrahlung) zur Verbesserung der Schmerzsymptomatik am Steißbein in Frage.

Lässt sich keine körperliche Ursachen finden, hilft einigen Patienten eine Psychotherapie.

Medikamente zur Behandlung von Steißbeinschmerzen

Zur Medikamentengabe bei akuten Steißbeinschmerzen eignen sich vor allem Schmerzmittel, die idealerweise eine entzündungshemmende (antiphlogistische) Wirkung haben.
Dazu gehören zum Beispiel die Wirkstoffe Diclofenac (Voltaren®), Acetylsalicylsäure (Aspirin®) und Ibuprofen.
Von einer regelmäßigen Einnahme dieser Wirkstoffe ohne ärztliche Betreuung sollte jedoch abgesehen werden, da die Magenschleimhaut durch diese Medikamente auf die Dauer beschädigt wird.
Auch bei chronischen Schmerzen im Steißbereich können diese Mittel helfen, sollten aber vor allem dazu dienen, den Bewegungsspielraum sicher zu stellen bzw. weiter auszubauen. Denn Bewegung hilft letztendlich bei Rückenschmerzen, egal welcher Lokalisation, immer noch am besten.
Sollten die Schmerzen trotz regelmäßiger Bewegung persistieren, kann der Hausarzt ein lokales Anästhetikum spritzen, falls er es für indiziert erachtet. Das dient wie die Einnahme von Medikamenten dazu, die Ursache des Schmerzes durch Bewegung vollständig beseitigen zu können.

Ist Wärme oder Kälte besser zur Behandlung von Steißbeinschmerzen?

Je nach Ursache kann die Anwendung von Wärme oder von Kälte indiziert sein.
Wichtig ist bei beidem, die Haut nicht zu verletzen, also zu verbrennen oder zu erfrieren. Deshalb sollte die Stelle bei der Anwendung mit Wärme oder Kälte regelmäßig kontrolliert werden. Legen Sie außerdem immer ein Handtuch o.Ä. zwischen die Temperaturquelle und die Haut.
Wärme hilft bei Verspannungen im Allgemeinen. Wenn die Steißbeinschmerzen also von schlechter Haltung und vielem Sitzen kommen, kann Wärme hier helfen. Das sind dann eher chronische Schmerzen, die in Ruhe nur leicht spürbar sind und bei Bewegung noch schlimmer werden können. Dadurch wird oft eine Schonhaltung eingenommen, die den Bewegungsspielraum immer weiter verkleinert. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, kann die Applikation von Wärme initial helfen.
Kälte soll dagegen bei Stürzen auf das Steißbein, also bei Prellungen angewendet werden. Die Bildung eines Hämatoms (Bluterguss) kann damit verringert werden, da die Blutgefäße sich durch die Kälte lokal leicht verengen. Außerdem nimmt es zumindest etwas die Schmerzen der Prellung.

Hausmittel zur Behandlung von Steißbeinschmerzen

Allen voran ist das beste Hausmittel bei chronischen Steißbeinschmerzen ist nach wie vor die Bewegung, da Bewegungsmangel die häufigste Ursache für chronischen Rückenschmerzen, egal welcher Lokalisation sind.
Bei akuten Steißbeinschmerzen, beispielsweise nach einem Sturz, können Schmerzmittel auf pflanzlicher Basis helfen. Dazu gehören Arnikasalbe, Campher, Pfefferminz- oder Kiefernadelöl sowie Chili, die äußerlich angewandt werden, indem sie auf die entsprechende Stelle aufgetragen werden.
Campher, Pfefferminz- und Kiefernadelöl wirken kühlend und durchblutungsfördernd und dadurch schmerzlindernd. Chili enthält dagegen den „Schärfestoff“ Capsaicin, der auch in manchen Salben enthalten ist. Capsaicin wirkt schmerzlindernd über eine Daueraktivierung der Schmerzrezeptoren, die aber schnell ermüden und dann keine Schmerzreize mehr weiterleiten. Daher kommt es beim Auftragen zu einem kurzfristigen Brennen auf der Haut, das aber gleich darauf in eine schmerzarme bis –freie Phase münden sollte.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 28.04.2015 - Letzte Änderung: 30.03.2024