Schwindel und Alkohol

Einleitung

Schwindel kann durch Alkoholkonsum auftreten. Dabei unterscheidet man zwischen Schwindel bei gerade stattfindendem Alkoholkonsum, der durch die akute Alkoholüberflutung des Organismus entsteht und Schwindel, der als Langzeitfolge chronischen Alkoholkonsums auftritt. Die Ursachen dieser beiden Schwindelformen sind unterschiedlich, lassen sich jedoch jeweils auf den Alkoholkonsum zurückführen.

Auf der anderen Seite gibt es auch Patienten, die unter Schwindel leiden und bei leichtem Alkoholkonsum eine Besserung ihrer Symptomatik verspüren. Oftmals handelt es sich bei diesen Personen um Betroffene mit einem phobischen Schwankschwindel, der psychogen bedingt ist und besonders in Belastungssituationen auftritt.

Ursachen

Alkohol kann durch unterschiedliche Mechanismen Schwindel hervorrufen. Das Gleichgewicht wird maßgeblich vom Innenohr gesteuert. Dort sind besonders die Bogengänge von Bedeutung, von denen der Mensch drei pro Seite besitzt. In den Bogengängen befindet sich eine Flüssigkeit, die sich je nach Drehbewegung des Kopfes mitbewegt und dadurch spezielle Sinneszellen reizt. Diesen Reiz verarbeitet das Gehirn dann als Lageempfindung. Die Flüssigkeit in den Bogengängen und die Masse, in der sich die Sinneszellen befinden (sogenannte Cupula), stehen in einem bestimmten Gewichtsverhältnis zueinander, sodass die Reizerzeugung und –übertragung korrekt ablaufen kann. Durch Alkohol wird dieses Verhältnis jedoch verändert. Der Alkohol gelangt in das Innenohr und bewirkt, dass die Cupula mit den Sinneszellen leichter wird, da Alkohol leichter ist als Wasser. Das Gewichtsverhältnis zwischen Flüssigkeit und Cupula verschiebt sich. Die Cupula kann nun viel leichter erregt werden, was im Gehirn bei Lageänderung des Kopfes Schwindel erzeugt.

Auch das Kleinhirn, das insbesondere für die Koordination wichtig ist, wird durch Alkoholkonsum gestört (siehe: Kleinhirnschädigung). Daraus resultiert oftmals eine Gangunsicherheit (Schwanken).

Bei chronischem Alkoholkonsum kommt es schließlich zu dauerhaften Schäden im Bereich der Nervenbahnen des Gehirns. Ein Beispiel ist die Wernicke-Enzephalopathie als Folge chronischen Alkoholkonsums. Es entsteht ein Mangel an Vitamin B1, was schließlich zu einer Abnahme verschiedener Hirnstrukturen führt (Atrophie). Die Betroffenen leiden unter Gang- und Standunsicherheit und entwickeln verschiedene Psychosyndrome. Auch die Nervenbahnen im Körper werden durch chronischen Alkoholkonsum geschädigt. Es kann eine sogenannte Polyneuropathie auftreten, die zum Verlust der Gefühlsempfindungen zum Beispiel in den Beinen führt. Auch Rückenmarksbahnen werden beeinträchtigt. Dadurch ist ebenfalls der Lagesinn gestört und Gang- und Standunsicherheit sowie Schwindelgefühle können vorkommen.

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Schwindel am nächsten Tag

Schwindel kann auch einen Tag nach dem Konsum alkoholischer Getränke auftreten. Das liegt meistens am Flüssigkeitsverlust, der durch den Alkohol entstanden ist.
Alkohol hemmt im Körper die Ausschüttung des Antidiuretischen Hormons, welches eigentlich in der Niere bewirkt, dass oral aufgenommene Flüssigkeit im Körperkreislauf bleibt. Fehlt dieses Hormon, scheidet die Niere mehr Wasser mit dem Urin aus – dem Körper wird also Wasser entzogen.

Symptome von Flüssigkeitsmangel sind ein niedriger Blutdruck und der daraus resultierende Schwindel. Darüber hinaus kann Schwindel am nächsten Tag noch über andere Mechanismen durch Alkohol ausgelöst werden. Der Alkohol ist dann noch nicht vollständig abgebaut und es befinden sich daher noch Restmengen im Blut. Diese beeinflussen Teile des zentralen Nervensystems, die entscheidend zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts beitragen: Dazu gehört das Kleinhirn, das für die Koordination von Bewegungsabläufen zuständig ist, sowie das Innenohr, welches als Sinnesorgan die Lage des Körpers wahrnimmt.

Zur Linderung des Schwindels hilft die großzügige Einnahme von Wasser, Tee oder verdünnten Fruchtsäften, um zunächst den Flüssigkeitsmangel zu beheben. Außerdem sollte auf eine ausreichende Zufuhr von Vitaminen geachtet werden, da auch diese beim Abbau von Alkohol verbraucht werden. Auf fettiges Essen sollte am Tag nach (übermäßigem) Alkoholkonsum verzichtet werden, um die Leber, welche noch Restmengen des Alkohols abbaut, zu entlasten.

Besserung des Schwindels durch Alkohol

Leidet ein Patient jedoch ohne zuvor bestehenden Alkoholkonsum unter Schwindel und bessert sich dieser sogar eher noch durch Alkoholkonsum, so liegt meist ein phobischer Schwankschwindel vor. Dieses Krankheitsbild ist nicht selten und ist psychogen bedingt. Übelkeit und Erbrechen treten dabei normalerweise nicht auf.

Der phobische Schwankschwindel äußert sich vor allem durch subjektiv empfundene Gang- und Standunsicherheit und dadurch bedingtes Schwanken. Oftmals besteht plötzlich auftretende Fallangst, ohne dass es tatsächlich zu einem Sturz kommt. Die Symptome treten besonders in Belastungssituationen auf und betreffen meist depressiv verstimmte Patienten. Durch leichten Alkoholkonsum sowie durch Sport erfahren die Patienten eine Besserung ihrer Beschwerden. Um einer Chronifizierung vorzubeugen, sollte eine Verhaltenstherapie erwogen werden.

Auch bei Personen mit Alkoholabhängigkeit kann Schwindel vorkommen, der durch Alkoholkonsum besser wird. Häufiger leiden diese Menschen unter Zittern oder Psychosen, die ebenfalls durch Wiederaufnahme des Konsums unterdrückt werden können. Ein Alkoholentzug ist in solchen Fällen unbedingt erforderlich.

Begleitende Symptome

Durch Alkoholkonsum kann es sowohl zu Drehschwindel als auch zu Schwankschwindel kommen. Beim Drehschwindel hat der Betroffene das Gefühl, dass sich die Umgebung um ihn herum dreht. Beim Schwankschwindel kommt es vor allem zu einer Stand- und Gangunsicherheit, da die Person das Gefühl hat, dass der Untergrund nicht fest ist, sondern hin und her schwankt. 

Am häufigsten tritt durch Alkoholkonsum jedoch der Drehschwindel auf. Der Schwindel ist nicht selten durch weitere Symptome begleitet, beispielsweise Übelkeit oder Kopfschmerzen. Diese können auch am Tag nach dem Alkoholkonsum bestehen bleiben.

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Zittern und Schwindel

Zittern und Schwindel können gemeinsam durch Alkoholkonsum auftreten. Bei Gelegenheitstrinkern, die nicht unter Alkoholabhängigkeit leiden, kann Zittern im Rausch auftreten, wenn das Kleinhirn in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Dies äußert sich vor allem durch eine Gang- und Standunsicherheit (Schlangenlinienlaufen, Schwanken), aber auch durch einen sogenannten Intentionstremor. Dabei kommt es bei zielgerichteten Bewegungen, zum Beispiel beim Greifen nach einer Flasche, zu zitternden Bewegungen, die nicht selten das Ziel verfehlen.

Bei Alkoholkonsum auf Partys, wo man sich zusätzlich viel bewegt, beispielsweise beim Tanzen, kommt es zudem besonders schnell zu einer Dehydrierung, also einem Flüssigkeitsverlust. Alkohol selbst wirkt entwässernd; im Zusammenhang mit körperlicher Bewegung verliert der Betroffene noch schneller Flüssigkeit. Auch kann es zur Unterzuckerung kommen. Flüssigkeitsmangel und Unterzuckerung können ebenfalls Zittern hervorrufen, genauso wie es dadurch auch zu Herzrasen nach Alkohol kommen kann.

Handelt es sich bei dem Betroffenen um eine Person, die regelmäßig Alkohol konsumiert, könnte es sich bei dem Zittern auch um Entzugserscheinungen handeln. Das Gehirn wird durch Alkohol sozusagen ruhig gestellt. Bei Mangel an Alkohol werden die Rezeptoren im Gehirn übererregt und generieren zu viele Signale, die dann an die Muskulatur gesendet werden. Zittern und andere körperliche Symptome sind die Folge. Durch Alkoholkonsum nimmt dieses Zittern dann in der Regel ab, da das Gehirn durch den „beruhigenden“ Alkohol keine überflüssigen Impulse mehr sendet.

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Übelkeit

Nicht selten tritt bei übermäßigem Alkoholkonsum Übelkeit und Erbrechen zusammen mit Schwindel auf.

Hier kommen mehrere Faktoren zusammen: Zunächst einmal ist der Körper stark entwässert, da Alkohol die Flüssigkeitsausscheidung verstärkt. Hierdurch ergibt sich leicht eine Kreislaufschwäche, durch die wiederum Schwindel entsteht. Schwindel kann wiederum zu Übelkeit durch Aktivierung des Brechzentrums im Hirnstamm führen. Außerdem kann übermäßiger Alkoholkonsum auch das Brechzentrum direkt aktivieren, da hier auch die Konzentration von Giften im Blut gemessen wird. Da es sich bei Alkohol genau genommen um eine toxische Substanz handelt, kann Alkoholgenuss daher kurz- und langfristig zu Übelkeit und Erbrechen führen.

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Herzrasen

Alkohol kann neben zahlreichen anderen körperlichen Beschwerden Herzrasen verursachen, welches für die betroffene Person auf unangenehme Weise wahrnehmbar ist.

Ursache dafür ist zum Einen, dass Alkohol auf die Gefäße erweiternd wirkt. Dadurch gibt es plötzlich mehr Platz in den Blutgefäßen mit einer unveränderten Menge an Blutvolumen zu füllen. Parallel sorgt Alkohol für eine leichte bis moderate Entwässerung des Körpers, die das Blutvolumen zusätzlich reduziert. Als Kompensation schlägt das Herz nun schneller, um das unzureichende Blutvolumen im Körper verteilen zu können und einen ausreichenden Kreislauf aufrecht zu erhalten.

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Kreislaufbeschwerden

Wie oben bereits beschrieben, wirkt Alkohol aktivierend auf die Flüssigkeitsausscheidung, Dies geschieht durch Stören von hormonellen Mechanismen, die normalerweise für eine Regulation der Urinproduktion in der Niere sorgen: Alkohol wirkt speziell auf die Konzentration des Urins, er unterbindet die Wasserresorption. Der Urin ist dadurch also stärker verdünnt bzw. enthält einen größeren Anteil an Wasser als sonst. Dieser Anteil an Flüssigkeit fehlt wiederum in den Blutgefäßen, wodurch es für den Körper immer schwieriger wird, den Kreislauf aufrecht zu erhalten.

Darüber hinaus wirkt Alkohol wie oben bereits beschrieben gefäßerweiternd, wodurch die Aufrechterhaltung eines ausreichenden Kreislaufs ebenfalls erschwert wird. Es kann dementsprechend zu Beschwerden wie Schwindel nach zu schnellem Aufstehen oder spürbarem Blutdruckabfall kommen.

Diagnose

Generell ist bei Schwindel, der nach Alkoholkonsum auftritt, keine besondere Diagnostik erforderlich. Der Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und den Beschwerden des Patienten ist meist eindeutig. Hält der Schwindel jedoch dauerhaft an oder tritt unabhängig vom Alkoholkonsum auf, so sollte eine weitere Diagnostik erfolgen. Dabei werden das Gleichgewichtsorgan im Innenohr sowie das Kleinhirn auf ihre Funktionsfähigkeit hin untersucht.

Wenn nicht klar ist, ob der Schwindel durch Alkohol auftritt oder ob er andere Ursachen hat werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Um Schwindel, der bei oder kurz nach Alkoholkonsum auftritt, besser einordnen zu können, kann zunächst der Alkoholgehalt in der Atemluft gemessen werden. Spezielle Geräte und Selbsttests hierfür sind sogar frei verkäuflich. Ein Erwerb kann also von der betroffenen Person selbst in Erwägung gezogen werden, sofern der Eindruck besteht, dass der Schwindel durch den Alkoholkonsum ausgelöst oder begünstigt wird.

Alternativ kann auch ein Auslassversuch probiert werden, um den Zusammenhang zwischen Alkoholgenuss und Schwindel wahrscheinlicher werden zu lassen. Tritt der Schwindel nicht mehr auf, wenn kein Alkohol konsumiert wird, kann von einem Zusammenhang ausgegangen werden. Es sollte allerdings eine ausreichend lange Zeit abgewartet werden, ob Schwindel ohne Alkoholkonsum auftritt. Das können beispielsweise vier Wochen sein, in denen dann aber auch kein Alkohol getrunken werden darf.

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Therapie

Bei Schwindel durch Alkoholkonsum hilft meist nur Abwarten. Wenn der Alkohol im Körper abgebaut und ausgeschieden wurde, nimmt auch das Schwindelgefühl wieder ab.  Bei Alkoholkonsum sollte am nächsten Tag unbedingt ein reichhaltiges Frühstück mit vielen Vitaminen und ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden. Dies sollte gegen den Kater helfen. 

Länger anhaltender Schwindel, der nach wenigen Tagen keine Tendenz zur Besserung zeigt, sollte vorsichtshalber ärztlich abgeklärt werden.

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Wie kann ich trotzdem schlafen?

Schlafen kann mit Schwindelgefühl nach Alkoholkonsum sehr schwierig sein.

Durch das Gefühl, dass sich die ganze Umwelt dreht, wird man wach gehalten. Zudem ist das Schwindelgefühl im Liegen häufig deutlich stärker ausgeprägt als im Sitzen oder Stehen. Wer trotzdem schlafen möchte, kann sich mit einem simplen Trick behelfen. Dazu hängt man ein Bein aus dem Bett heraus und stellt den Fuß auf dem Boden ab. Der Körper erhält dadurch eine Lageinformation aus dem Raum und das Gehirn kann verarbeiten, dass das Bein fest auf dem Boden steht. Die subjektiv empfundene Drehbewegung des Raums und die Information, dass das Bein fest auf dem Boden steht, werden vom Gehirn als nicht zusammenpassend erkannt und das Schwindelgefühl wird unterdrückt. Dadurch kann das Einschlafen dann erleichtert werden.

Manchmal hilft jedoch alles nichts – der Schwindel lässt sich nicht in den Griff bekommen. Dann hilft häufig nur Abwarten und Hoffen, dass man trotzdem irgendwann einschlafen kann. Im Zweifelsfall sollte man dann besser noch wach bleiben und die Augen geöffnet halten, damit zu dem Schwindelgefühl nicht noch Übelkeit hinzukommt.

Prognose

Schwindel im Zusammenhang mit Alkoholkonsum hält in der Regel nur so lange an, bis der ganze Alkohol verstoffwechselt und aus dem Körper ausgeschieden wurde. Als Symptom eines Katers kann der Schwindel auch am darauffolgenden Tag noch bestehen bleiben, verschwindet jedoch normalerweise dann von alleine wieder. Eine ausgewogene Mahlzeit am Morgen und eine ausreichende Trinkmenge bringen den Kreislauf schnell wieder in Schwung.

Prophylaxe

Schwindel gehört zu den typischen Kater-Symptomen, die nach Alkoholkonsum auftreten können. Die beste Prophylaxe ist, vor dem Alkoholkonsum eine gute Grundlage in Form von einer kohlenhydrat- und fettreichen Mahlzeit zu schaffen, beispielsweise Pizza. Durch den Fettanteil in der Nahrung wird der Alkohol langsamer ins Blut abgegeben und Schwindel tritt deutlich seltener auf. Eine gesündere Alternative sind beispielsweise ölig eingelegte Fische wie zum Beispiel Sardinen. Zudem sollte nicht zu viel Alkohol auf einmal konsumiert und zwischendurch auch immer wieder ein Glas Wasser getrunken werden. Dies beugt einem Flüssigkeitsverlust vor.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 23.05.2016 - Letzte Änderung: 19.07.2023